EZB-Preview: EZB hat es mit erster Zinssenkung nicht eilig
Im Rahmen der März-Ratssitzung werden die Notenbank-Oberen keine Änderung der Leitzinsen vornehmen. Einlagesatz bleibt bei 4,00%.
Wir gehen davon aus, dass die europäischen Währungshüter bei ihrer nächsten Zusammenkunft keine Anpassungen am geldpolitischen Kurs vornehmen werden. Die Leitzinsen sollten auf dem aktuellen Niveau verbleiben (Hauptrefinanzierungssatz: 4,5% / Einlagesatz 4,0%). Allerdings dürfte im EZB-Rat durchaus kontrovers über den „richtigen“ Zeitpunkt einer ersten Zinssenkung debattiert werden. Uneinigkeit herrscht darüber, inwieweit eine Lockerung der Zinszügel zeitnah erfolgen sollte oder ob angesichts der Risikofaktoren für den Inflationsausblick (Lohnentwicklung / Energiepreise) eher noch etwas Geduld angebracht ist. Wir gehen davon aus, dass EZB-Chefin Lagarde erneut die Datenabhängigkeit des weiteren geldpolitischen Kurses hervorheben wird. Im Rahmen der März-Ratssitzung werden auch die neuen Projektionen zur Konjunktur- und Inflationsentwicklung veröffentlicht. Hierbei ist vor allem von Interesse, ob die EZB-Stabsmitarbeiter ihren Inflationsausblick erneut nach unten korrigieren. Dies würde die Tür für einen ersten Zinssenkungsschritt im Sommer ein Stück weiter öffnen.
Währungshüter haben unter anderem die Lohnentwicklung genau im Blick Grundsätzlich gehen wir davon aus, dass sich der Disinflationsprozess in der Eurozone im Jahresverlauf weiter fortsetzen wird. Allerdings gibt es Risiken, welche die Annäherung an die 2%-Zielmarke verzögern könnten. Besonderes Augenmerk haben die EZB-Vertreter gegenwärtig auf die Lohnentwicklung im Euroraum. Die Tariflöhne sind im vierten Quartal des vergangenen Jahres um 4,5% (J/J) gestiegen. Dies ist zwar etwas weniger als im Vorquartal (4,7%), dennoch wird befürchtet, dass die mit 6,4% auf einem Rekordtief verharrende Arbeitslosenquote in der EWU zu anhaltend hohen Lohnsteigerungen führen könnte. Vor diesem Hintergrund haben sich verschiedene Notenbankvertreter dafür ausgesprochen, die Entwicklung der Löhne zunächst noch weiter zu beobachten. Die Daten zur Entwicklung der Tariflöhne im ersten Quartal 2024 lassen allerdings noch etwas auf sich warten. Diese werden erst am 23. Mai veröffentlicht.
Die Notenbanker haben aber auch andere Aufwärtsrisiken für die Inflationsentwicklung im Blick. Sorgen bereiten unter anderem die geopolitischen Spannungen im Nahen Osten, die sich in steigenden Energiepreisen oder Frachtraten (Schiffscontainer) niederschlagen könnten. Zwar hat der Rohölpreis (Brent) zuletzt Auftrieb erfahren, doch war der Aufwärtsschub bislang nur verhalten ausgeprägt. Der Preis für die Verschiffung eines 40 Fuß-Containers (Shanghai – Rotterdam) ist zuletzt sogar wieder etwas gefallen.
-- Christian Reicherter