Spanien: Sánchez geht aufs Ganze

Das hohe Risiko, vorgezogene Neuwahlen einzugehen, wird sich für den spanischen Premier Sánchez voraussichtlich doch noch auszahlen – obwohl er die Wahlen im Juli nicht gewann, kann er sich am Donnerstag im Amt des Ministerpräsidenten bestätigen lassen.
 


Um dieses Ziel zu erreichen, hat sich Sánchez die Stimmen von katalanischen Separatistenparteien, der linkspopulistischen Sumar sowie weiterer regionaler Kleinparteien gesichert. Den Preis, den er hierfür zahlt, ist kein geringer, auch im wörtlichen Sinne. Die Vereinbarungen sehen u.a. vor, dass der Zentralstaat der Region Katalonien Schulden iHv von 15 Mrd. Euro erlässt. Zudem bewegte die in Aussicht gestellte Amnestie für jene, die sich mit dem Unabhängigkeitsreferendum im Jahr 2017 strafbar gemacht haben, Millionen von Bürgern, zum Protest auf die Straßen zu gehen.

 

Allerdings stand Sánchez unter Zugzwang. Falls bis Ende November kein Kandidat die Mehrheit im Parlament erlangt hätte, sieht das Wahlgesetz Neuwahlen im Januar vor. Sánchez Erfolgsaussichten wären dabei eher mau gewesen. Aktuelle Umfragen zeigen, dass die konservative Partido Popular (PP) in einer Koalition mit der rechtsextremen Vox eine absolute Mehrheit im Parlament erlangen könnte.

 

Die Zukunft von Sánchez liegt nun in den vielen Händen jener, die ihn im Parlament tolerieren. Die Frage nach einem erneuten Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien zeichnet sich aber jetzt schon als Sollbruchstelle seiner Regierungszeit ab. Während die katalanischen Separatisten auf die Durchführung eines neuen Referendums drängen, sieht sich Sánchez lediglich verpflichtet, den Autonomiestatus von 2006 zu stärken.

 

Somit bleibt es fraglich, wie lange auf wirtschaftspolitische Kontinuität in Spanien gesetzt werden kann. Unter Sánchez blühte die Wirtschaft auf, auch aufgrund hoher staatlicher Ausgaben. In Zukunft muss er einen belastbaren Plan vorweisen, der die Balance zwischen sozialer Absicherung und Wachstum findet, ohne das Defizit auszuweiten.

 

Die Investoren nahmen die jüngsten Entwicklungen seit Mitte Oktober vorweg, da sich eine Einigung bereits abgezeichnet hatte. Der Renditeabstand zehnjähriger spanischer Staatsanleihen zu deutschen ist mit 103 Basispunkten aktuell etwa auf Höhe des Durchschnittwertes seit Jahresanfang. Darin zeigt sich, dass die Investoren von der erzielten Einigung noch nicht zur Gänze überzeugt sind.

 

-- René Albrecht