Italien: Ein Hauch von Ungarn
Die Regierung in Rom plant sowohl Einkommensteuersenkungen als auch eine „Übergewinnsteuer“ für Banken. Die Wachstumsimpulse werden sich in Grenzen halten, es drohen aber negative Folgen für den Staatshaushalt und den Zugang zu Krediten.
Während es zunächst so aussah, als ob die rechte italienische Regierung unter Ministerpräsidentin Meloni in der Wirtschafts- und Steuerpolitik eher zögerlich agieren würde, lässt sich nunmehr eine klare Handschrift Roms erkennen. Und diese erinnert ein Stück weit an andere rechtspopulistische Regierungen, vor allem in Mittel- und Osteuropa. Man könnte auch sagen: Es weht ein Hauch von Ungarn durch Italien. Ähnlich wie die Regierung von Premier Orbán plant Rom, private Haushalte und Unternehmen durch Steuersenkungen zu entlasten. Das schwache Wachstum des Landes soll auf diese Weise angekurbelt und die Standortbedingungen verbessert werden. Sogar die Einführung einer „Flat Tax“ (einstufiger Einkommensteuertarif) ist im Gespräch, was die ohnehin zu erwartenden hohen Steuerausfälle nochmals vergrößern würde.
Ganz so wirtschaftsliberal, wie es den Anschein hat, agiert Rom aber nicht. Zur teilweisen Gegenfinanzierung plant die Koalition die Einführung einer zeitlich befristeten „Übergewinnsteuer“ für Banken. Die Regierung rechtfertigt den Schritt damit, dass sie lediglich die „übermäßigen Gewinne“ der Branche infolge der Leitzinsanhebungen der EZB abschöpfen und gleichzeitig schwächere Kreditnehmer unterstützen wolle. Dennoch ist die Maßnahme wohl eher politisch motiviert als ökonomisch sinnvoll. Insbesondere italienische Haushalte und Unternehmen litten jahrelang unter der nötigen restriktiven Kreditvergabe der Banken, die wiederum aufgrund der hohen Kreditausfälle erforderlich ist. Die neue Steuer wird zwar im Idealfall helfen, die Spanne zwischen Spar- und Kreditzinsen zu reduzieren, wodurch sich aber auch die Marge der Banken reduziert. Vor allem riskantere kleine und mittlere Unternehmen dürften daher zukünftig noch mehr Schwierigkeiten haben, neue Kredite zu bekommen.
Die angedachten Steuersenkungen könnten sich ebenfalls als Bumerang herausstellen. Der erhoffte Wachstumsimpuls dürfte sich als Strohfeuer herausstellen, denn die geringe Wettbewerbsfähigkeit des Standortes Italien hat viel tiefere Ursachen und liegt auch in einer ausufernden Bürokratie, einer trägen Justiz und eben schlechten Bedingungen für Kreditnehmer. Gleichzeitig wird Italien die hohen Steuerausfälle kaum vollständig kompensieren können. Angesichts gestiegener Kapitalmarktzinsen sind dies ungünstige Voraussetzungen für die Schuldentragfähigkeit und die Bonitätsnote des Landes. Sollte sich Italiens negativer Ratingtrend deswegen fortsetzen, könnte dies auch die Finanzmärkte wieder in Sorge versetzen und steigende Risikoprämien bei italienischen Staatsanleihen nach sich ziehen.
-- Daniel Lenz