Spanien: Sánchez‘ Strategie nimmt ihren Lauf – Rechtsruck bleibt aus

Die spanischen Parlamentswahlen bringen keinen klaren Sieger hervor. Es droht eine politische Blockade. Amtsinhaber Sánchez kann aber einen Rechtsruck im Parlament abwenden.  

 

 

Die oppositionellen Konservativen, Partido Popular (PP), haben bei den gestrigen Parlamentswahlen in Spanien die meisten Sitze gewonnen. Die Partei des Spitzenkandidaten Alberto Núñez Feijóo hat 136 von 350 Sitze im Madrider Congreso de los Diputados erreicht – ein Zugewinn von 47 Mandaten gegenüber der Wahl vom November 2019. Amtsinhaber Sánchez landet mit seiner Partei, Partido Socialista Obrero Español (PSOE), auf dem zweiten Platz. Der Premier gewinnt 122 Sitze. Drittstärkste Kraft wurde die ultrarechte VOX mit 33 Abgeordneten. Die Partei muss aber auch den höchsten Verlust der Wahl vermelden – 19 Mandate sind verloren. Der Rückschlag geht insbesondere auf den PP-Wahlkampf zurück, der auf einen Stimmenfang bei den Ultrarechten abzielte. Auch wenn einige Umfragen im Vorfeld der Wahl einen Rechtsruck in Madrid prognostizierten, blieb dieser gestern klar aus. Auf dem vierten Platz liegt das linksprogressive Sammlungsbündnis Sumar.

 

Nach der Wahl herrschen keine klaren Verhältnisse in Madrid: Feijóo ist nur dem Anschein nach der Wahlsieger. Selbst mit Hilfe der Ultrarechten fehlen ihm die 176 benötigten Sitze für eine Mehrheit. Seine einzige Chance bestünde also nur in einer Enthaltung der PSOE – ein denkbar unrealistisches Szenario. Zwar hat Amtsinhaber Sánchez die besseren Karten, allerdings verfehlt er zusammen mit seinem präferierten Koalitionspartner, Sumar, ebenso die absolute Mehrheit. Sánchez ist daher auf die Unterstützung kleinerer, separatistischer Parteien angewiesen. Diese Parteien haben ihm auch nach der letzten Wahl ins Amt verholfen – mit einer Ausnahme. Dieses Mal sind auch die sieben Sitze von Junts per Catalunya (Junts) nötig. Dies ist die Partei von Carles Puigdemont, dem ehemaligen Regionalpräsidenten von Katalonien, der 2017 im Unabhängigkeitskonflikt eine der politischen Hauptfiguren war. Junts hat bereits im Vorfeld eine Unterstützung von Sánchez oder Feijóo abgelehnt. Sie verlangen insbesondere ein Unabhängigkeitsreferendum in Katalonien – eine unmögliche Forderung für Sánchez.

 

Spanien droht nun eine politische Hängepartie. Sánchez‘ Strategie, eine Amtsübernahme des rechten Lagers im Moncloa-Palast zu verhindern, nimmt aber zunächst ihren Lauf. Aktuell hat Feijóo kaum eine realistische Chance, neuer spanischer Premier zu werden. Aber auch Amtsinhaber Sánchez steht vor einer Herkulesaufgabe. Dabei ist eines klar: Der Preis für eine Investitur von Sánchez wird in Katalonien festgesetzt. Scheitert Sánchez daran, ein weiteres Mal eine Minderheitsregierung auf die Beine zu stellen, steht zu befürchten, dass Spanien nochmals an die Urnen treten muss – kein Novum für die Iberer. Im Nachgang der Wahlen vom Dezember 2015 und April 2019 konnte nur eine Neuwahl eine politische Blockade – un bloqueo – beenden. Trotz dieser innenpolitischen Unsicherheiten nimmt der spanische Staatsanleihemarkt bislang kaum Notiz hiervon und bleibt unbeeindruckt. Eine langandauernde politische Hängepartie und Reformstillstand dürften Anleger hingegen nicht goutieren

 

-- Sebastian Fellechner