Neuer BoJ-Chef Ueda tritt unerwartet defensiv auf
Die erste BoJ-Sitzung unter dem neuen Notenbankchef stand unter unerwartet dovishen Vorzeichen. In der Interpretation vieler Marktbeobachter scheint Ueda exakt in die ultra-expansiven Fußstapfen seines Vorgängers Kuroda treten zu wollen. Dies halten wir für eine überzogen einseitige Perspektive. Wer das BoJ-Statement genau liest, findet durchaus Hinweise auf Neuerungen, auch wenn diese natürlich nicht im Hochgeschwindigkeits-Tempo eines Shinkansen erfolgen werden.
Die erste Sitzung der Bank von Japan unter dem neuen Notenbankchef Ueda stand unter unerwartet dovishen Vorzeichen. Dass es nicht zu einer Änderung bei YCC-Zinsziel oder Leitzinsniveau kam, war soweit abzusehen. Jedoch hat Ueda außerdem seine angekündigte „grundlegende Überprüfung“ der Geldpolitik, die die Basis für einen (u.E. längst überfälligen) Exit bilden könnte, durch einen sehr großzügigen Zeitrahmen von ein bis anderthalb Jahren erheblich verwässert. („… a broad-perspective review of monetary policy, with a planned time frame of around one to one and a half year.“). Den marktseitigen Spekulationen, dass es bereits im Sommer 2023 zu einem Kurswechsel kommen könnte, ist damit vorerst ein Ende gesetzt, was dem Yen eindeutig missfällt. Wir gehen jedoch davon aus, dass die Realität die BoJ bereits vor Ablauf dieser 18 Monate unter Zugzwang setzen wird. Zentral ist dabei für uns die Unterscheidung zwischen Überprüfung der langfristigen, grundsätzlichen BoJ-Strategie und dem kurzfristigen geldpolitischen Tagesgeschäft.
Das BoJ-Statement ist insgesamt weniger eindeutig, als der Markt derzeit unterstellt. Auf der einen Seite haben wir den langen Zeitraum, der für die Review eingeräumt wird. Dies interpretieren die Tauben als Versprechen, dass bis Ende 2024 keine (wie auch immer geartete) geldpolitische Änderung ansteht, was u.E. eine Fehlinterpretation ist. Auf der anderen Seite haben wir jedoch den Verzicht auf die Forward Guidance, die jetzt nicht mehr im Statement enthalten ist (… „mittel- und langfristigen Zinssätze bleiben auf dem derzeitigen oder niedrigeren Niveau“), was durchaus ein Fenster für eine geldpolitische Kursänderung öffnet. Am aussagekräftigsten ist für uns die neue, erstmalig veröffentlichte Inflationsprojektion für das Fiskaljahr 2025. Der erwartete Rückgang der Teuerung auf 1,6% (J/J) zeigt, dass die BoJ sich nicht unter akutem Zugzwang sieht und offenbar nicht fürchtet, die Kontrolle über die Inflation zu verlieren. In der Kern-Kern-Rate (ohne Energie und frische Lebensmittel) liegt die Teuerung mit erwarteten 1,8% (J/J) jedoch höher und ist ein Hinweis auf zumindest moderate Überwälzungseffekte, an denen es in Japan jahrelang gemangelt hat. Dies ist sicher kein Inflationsbild, das eine restriktive Geldpolitik erfordert. Jedoch ist es auch kein Bild, das ein Festhalten am ultra-lockeren Krisenmodus aus der Ära struktureller Deflation rechtfertigt, sondern eher ein vorsichtiges „Zurück zur Normalität“.
Wir halten daher weiterhin eine Neuausrichtung der BoJ-Politik noch in diesem Jahr für möglich (wenn auch ehrlicherweise weniger wahrscheinlich als noch vor der jüngsten Notenbankentscheidung). Dabei dürfte es kaum um eine restriktive Geldpolitik gehen, sondern um ein Finetuning wie den Übergang von der YCC-Politik der Zinskurvenkontrolle zu einem Mengenziel für JGB-Käufe (beispielsweise 60 Bio JPY p.a.).
-- Dorothea Huttanus