Frankreich: Zündfunke Rentenreform?!
Die französische Regierung hat neue Pläne für eine Rentenreform vorgelegt. Auch wenn die Chancen auf eine Umsetzung diesmal besser stehen, ist in den kommenden Wochen mit massiven Protesten zu rechnen.
Premierministerin Borne hat gestern einen Rentenreformplan vorgestellt. Dieser umfasst unter anderem eine Erhöhung des Renteneintrittsalters von 62 auf 64 Jahre bis 2030. Der Beitragszeitraum für volle Rentenbezüge soll ab 2027 bei 43 Jahren liegen (bisher 41,5 Jahre). Zugleich soll die Mindestrente von 980 auf 1200 Euro erhöht werden. Dies ist bereits der zweite Versuch von Staatspräsident Macron, nach einem ersten Ende 2019, bei dem es zu massivem Widerstand vieler Berufsgruppen gekommen war. Damals enthielten die Pläne noch weitreichendere Ziele wie eine Rente ab 65 Jahren und eine Vereinheitlichung der zahlreichen Rentenkassen. Mit dem Pandemiebeginn im März 2020 wurde das Projekt dann (vorerst) ad acta gelegt.
Ein Erfolg der Reform ist durchaus vorstellbar, zumal deren Ziele bereits abgeschwächt wurden. Neben bereits angekündigten Protesten birgt aber auch der Gesetzgebungsprozess Risiken. Seit der Parlamentswahl verfügt Macrons Regierung über keine Mehrheit. Zwar gilt bei Anwendung von Artikel 49.3 der französischen Verfassung ein Gesetz auch ohne Abstimmung im Parlament als angenommen. Unterstützen daraufhin zehn Prozent der Abgeordneten einen Misstrauensantrag gegen die Regierung, wird über diesen abgestimmt. Votiert mehr als die Hälfte der Abgeordneten (289 von 577) für diesen, gilt das Gesetz als abgelehnt und die Regierung als gestürzt. Für diesen Fall hat Macron mit Neuwahlen des Parlaments gedroht. Bislang konnten sich Macron & Borne auf die Unterstützung bzw. Enthaltung der Fraktion der Les Républicains (LR) stützen. Ob diese ihre stillschweigende Steigbügelhalterrolle beibehalten werden, ist aber noch unklar.
Die Rentenreform gehörte zu Macrons zentralen Wahlversprechen. Mit einem (Teil-) Erfolg könnte er einen historischen Schritt vollziehen, zumal ein solcher auch mittel- und langfristig für die Konsolidierung des angeschlagenen Staatshaushaltes dringend nötig ist. Da er nach der laufenden Amtsperiode als Präsident 2027 nicht mehr wiedergewählt werden kann, dürfte sein Fokus auf Beliebtheitswerte geringer ausfallen: Diese sind zwar stabil, aber auf niedrigem Niveau (wie bei den meisten französischen Präsidenten in ihrer zweiten Amtszeit). Gerade auf Sicht der kommenden Wochen ist jedoch eine heftige Protestwelle zu erwarten. Damit könnte es auch bei französischen Staatsanleihen zu einem turbulenten Jahresbeginn kommen.
-- Christian Lenk