China: Auf die harte Tour

Nach der 180-Grad-Wende Chinas in der Corona-Politik wird das Land von einer enormen Infektionswelle überrollt. Das schadet der Wirtschaft beträchtlich, wie die aktuellen Einkaufsmanagerindizes zeigen.
 


Man kann weiterhin nur spekulieren, was die chinesische Regierung bewogen hat, ihre extreme Null-Covid-Politik aufzugeben und das Land völlig unvorbereitet weitgehend zu öffnen. War es der massive Druck von der Straße, der den Machthabern zunehmend bedrohlich erschien? War das Infektionsgeschehen mit der Corona-Welle vom November längst außer Kontrolle geraten? Oder überwog die Sorge um die Wirtschaft, die einen weiteren Lockdown wie der im Frühjahr in Schanghai womöglich nicht verkraftet hätte? Wahrscheinlich war es eine Mischung aus allen Faktoren. Tatsache ist, dass das Virus – wenn auch in der ungefährlicheren Omikron-Variante – jetzt eine relativ schwach immunisierte Bevölkerung überrollt, die in Rekordzeit durchseucht wird. So kann man auch mit einer Epidemie umgehen – es ist halt der ganz harte Weg mit vielen Schwerkranken- und Todesfällen. Die offiziellen Angaben zu Infektionszahlen und Todesopfern spiegeln das zwar bei weitem nicht wider. Bilder von überfüllten Krankenhäusern oder langen Schlangen vor den Krematorien des Landes sprechen aber ihre ganz eigene Sprache.

 

Auch die Wirtschaft wird nicht geschont, wenn es statt Lockdowns eine riesige Infektionswelle gibt. Die Menschen bleiben zu Hause, sei es aus Angst, oder weil sie erkrankt sind. In den Unternehmen werden die Geschäftsabläufe durch hohe Krankenstände behindert und Lieferketten gestört. Tägliche Mobilitätsdaten aus China deuten auf einen kräftigen Rückgang der wirtschaftlichen Aktivität im Verlauf des Dezembers hin. Das gleiche Bild zeichnen die aktuellen Einkaufsmanagerindizes (PMI). Beide Umfragewerte sind im Dezember unter ihre Niveaus vom April gefallen, also dem Zeitpunkt, als die Schanghai-Welle ihren Höhepunkt erreichte. Der Industrie-PMI liegt nun mit 47,0 Punkten (April: 47,4) und der Service-PMI mit 41,6 Zählern (April: 41,9) wieder weit unterhalb der Wachstumsschwelle. Im Durchschnitt des vierten Quartals 2022 unterschreiten die Indikatoren ihre Werte vom Frühjahr sogar deutlich. Im Dienstleistungssektor ist die Stimmung so schlecht wie während der ersten großen Corona-Welle Anfang 2020.

 

Das sind keine guten Aussichten für die chinesische Konjunktur im laufenden Winterhalbjahr. Die chinesische Wirtschaft dürfte im Schlussquartal 2022 deutlich geschrumpft sein, und ob es im soeben begonnenen ersten Quartal 2023 schon wieder für ein Plus reichen wird, ist fraglich. Positiv ist zwar, dass sich das öffentliche Leben in diesen ersten Tagen des neuen Jahres wieder etwas zu beleben scheint. Bis die Infektionswelle aber wieder deutlich abflaut, wird es wohl noch einige Wochen brauchen. Hinzu kommt das Risiko, dass sich in dem enorm hohen Infektionsgeschehen wieder gefährlichere Mutationen bilden. Erst ab dem Frühjahr dürfte die chinesische Wirtschaft beginnen, vom Ende der Null-Covid-Politik zu profitieren.

 

-- Monika Boven