Private Haushalte: Nur noch schwacher Zuwachs beim Geldvermögen in diesem Jahr

Normalerweise reagieren private Haushalte auf wachsende Unsicherheit, in dem sie mehr auf die hohe Kante legen. Doch diesmal geht die private Sparquote trotz Ukraine-Krieg voraussichtlich sogar deutlich zurück.

 

 

Tatsächlich ist die Unsicherheit aktuell so hoch wie lange nicht mehr. Auslöser sind der Krieg, die Sanktionen und Gegenreaktionen Russlands, Lieferkettenprobleme sowie die stark gestiegenen Verbraucherpreise. Dem Bedürfnis, in unsicheren Zeiten mehr zurückzulegen, steht jedoch ein gewaltiger Nachholbedarf aus der Phase der Corona-Einschränkungen gegenüber. Durch Lockdown-Maßnahmen blieben Geschäfte und Gasthäuser geschlossen, Kultur und Freizeitaktivitäten waren nur sehr eingeschränkt möglich und viele Haushalte mussten lange Zeit auf größere Urlaubsreisen verzichten. Die Sparquote erreichte 2020 mit 16,1% einen neuen Rekord und blieb auch 2021 mit 15,0% extrem hoch. Insgesamt sparten die privaten Haushalte in den letzten beiden Jahren rund 200 Mrd. Euro zusätzlich. Für die aufgestauten Konsumbedürfnisse liegen also liquide Mittel bereit, wäre da nicht der Krieg, der die Konsumfreude trübt und die schon seit längerem bestehenden Lieferkettenprobleme verstärkt.

 

Ohne den Angriff Russlands auf die Ukraine hätte das Auslaufen der Corona-Beschränkungen in diesem Frühjahr voraussichtlich zu einer kräftigen Belebung des privaten Verbrauchs geführt und die Sparquote wäre deutlich unter ihren langjährigen Durchschnitt gefallen. So dürfte sich der in die Ersparnis fließende Teil des Einkommens 2022 und 2023 mit rund 10% nahe am Durchschnittsniveau einpendeln.

 

Allerdings hat sich das Umfeld für die Geldanlage mit dem Auslaufen der Corona-Beschränkungen und dem Kriegsausbruch in der Ukraine radikal verändert. So hat die durchschnittliche Rendite inländischer Rentenpapiere inzwischen nicht nur die Negativzone verlassen, sondern ist in kürzester Zeit auf zuletzt 1,3% gestiegen. Auch bei Bankeinlagen ist ein Trend steigender Zinsen allmählich erkennbar. Gleichzeitig hat der Kriegsausbruch zu einem spürbaren Nachgeben der Aktienkurse geführt. Neben dem Krieg und dem Zinsanstieg sind insbesondere die strengen Corona-Maßnahmen in China ein größeres Risiko für den Aktienmarkt. Unter der Annahme, dass die kriegerischen Auseinandersetzungen mittelfristig ein Ende finden und sich die Lage stabilisiert, bestehen Aussichten, dass der DAX seine Kursverluste seit Jahresbeginn teilweise wieder aufholen kann, ohne dass die hohen Kursgewinne des letzten Jahres für 2022/23 erwartet werden können.

 

In den letzten beiden Jahren sorgten die sehr hohe Ersparnis der Bürger und kräftige Aktienkursgewinne für einen starken Anstieg des privaten Geldvermögens um 6,7 bzw. 8,4%. In diesem Jahr dürfte sich der Vermögensaufbau mit nur noch 2,3% spürbar verlangsamen. Verantwortlich hierfür sind der Rückgang der Sparquote auf “Normalniveau” und Kurskorrekturen an den Aktienmärkten. Trotzdem dürfte das private Geldvermögen bis Jahresende voraussichtlich die 8-Bill. Euro-Grenze überschreiten.

-- Michael Stappel