US-Shutdown: Möglicher Stresstest für die Aktienmärkte
Historisch blieb der S&P 500 zwar meist stabil, doch diesmal könnte eine längere Blockade mit Datenlücken vor dem Hintergrund aktuell hoher Bewertungsniveaus und herausfordernder Rahmenbedingungen für die US-Notenbank besondere Risiken bergen.

Am 1. Oktober ist die US-Regierung in einen sogenannten Government Shutdown getreten. Da sich Demokraten und Republikaner nicht auf eine Übergangsfinanzierung einigen konnten, müssen zahlreiche Bundesbehörden geschlossen bleiben. Dieser Konflikt ist Ausdruck einer tiefen Polarisierung und erhöht die Gefahr, dass der Stillstand länger andauert als die bisherigen, meist kurzen Shutdowns.
Für die Märkte ist ein Shutdown nichts Neues. Seit 1976 kam es zu mehr als zwanzig Phasen ohne Ausgabenbewilligung. Historisch betrachtet, zeigte sich der S&P 500 robust. Im bisher längsten Shutdown von Ende 2018 bis Anfang 2019 stieg er – zugegeben auch aufgrund anderweitiger Entwicklungen – sogar um zehn Prozent, und auch in den letzten vier mehrtägigen Fällen lag er dreißig Tage nach Beginn jeweils höher.
Dennoch wäre es verfrüht, den aktuellen Shutdown als bloße Randnotiz abzutun. Er kann die Märkte über zwei Kanäle belasten. Der erste ist die Unsicherheit. Wenn das Bureau of Labor Statistics oder das Census Bureau ihre Arbeit einstellen, fällt die Veröffentlichung wichtiger Konjunkturdaten aus, darunter der Arbeitsmarktbericht und Inflationszahlen. Ohne verlässliche Daten fehlt der Fed und den Märkten eine wichtige Grundlage für Entscheidungen. Mögliche Folgen sind mehr Unsicherheit und stärkere Schwankungen.
Der zweite Kanal ist das Sentiment. Ein Shutdown ist ein sichtbares Symbol politischer Dysfunktion. Normalerweise blenden die Märkte solche Signale schnell aus. Doch in einer Phase, in der die Bewertungen hoch sind, können sie stärker wirken als in anderen Marktphasen. Damit steigt die Gefahr, dass bereits kleinere Störfaktoren ausreichen, um Gewinnmitnahmen auszulösen oder eine vorsichtigere Positionierung zu erzwingen.
Langfristig keine Auswirkungen des Shutdowns zu erwarten
Der S&P 500 hat in der Vergangenheit bewiesen, dass er politische Turbulenzen erstaunlich gut absorbieren kann. Ob dies auch dieses Mal gelingt, hängt davon ab, ob die Märkte die Kombination aus Datenlücke, hoher Bewertung und geldpolitischer Ungewissheit ebenso gelassen hinnehmen wie früher oder ob die politische Blockade erstmals über das gewohnte Maß hinaus für Verunsicherung sorgt. Je länger der aktuelle Stillstand andauert, desto größer wird die Gefahr, dass die Märkte nervöser reagieren. Langfristig orientierte Anleger sollten Ruhe bewahren, Volatilität einkalkulieren und auf überstürzte Reaktionen verzichten.
-- Birgit Henseler