Indien: Trotz Modi’s Wiederwahl könnten Reformen auf der Strecke bleiben

Im ersten Quartal ist die indische Wirtschaft erneut sehr kräftig gewachsen. Die Wiederwahl von Narendra Modi spricht für Kontinuität bei der Wirtschaftspolitik. Umfangreiche Reformen könnten allerdings schwierig werden.

 

 

Im bevölkerungsreichsten Land der Welt ist ein neues Parlament gewählt worden. Erwartungsgemäß sieht es ganz danach aus, dass Narendra Modi auch weiterhin Premierminister bleibt. Trotz der hohen wirtschaftlichen Dynamik, die sich auch in den Daten vom ersten Quartal widerspiegelt, sind die Herausforderungen für die zukünftige Wirtschaftspolitik groß. So sollte die Bürokratie reduziert werden und auch Arbeitsmarktreformen sind unabdingbar. Letztere sollten vor allem dazu beitragen, dass die sehr niedrige Partizipationsrate von Frauen am Arbeitsmarkt gesteigert wird. Denn nur dann kann das große Angebot an Arbeitskräften tatsächlich seine wachstums- und wohlstandssteigernden Effekte entfalten. Umfangreiche Reformen könnten allerdings schwierig werden, da Modi’s Partei wohl keine ganz so große Mehrheit erreicht, wie es Umfragen zuvor angedeutet hatten.

 

Das Wachstum beim Bruttoinlandsprodukt blieb in Q1 nur wenig hinter dem sehr kräftigen Vorquartal zurück, es lag bei 7,8%. Ähnlich wie im vergangenen Jahr lieferte auch zuletzt die Industrie wichtige Impulse: Die Produktion konnte erneut deutlich gesteigert werden. Grundsätzlich ist die Neu-Ausrichtung bei den weltweiten Lieferketten ein wichtiger Faktor für die indische Wirtschaft. Unter anderem haben Firmen wie Apple und Tesla ihre Investitionen im Land bereits ausgeweitet und noch weitere Maßnahmen angekündigt. Die Ausfuhren von Mobiltelefonen sind deutlich gewachsen und sind inzwischen viermal so hoch wie vor 3 Jahren. Viele IT-Experten sind der Meinung, dass der indische Technologiesektor vom Trend „Einsatz von Künstlicher Intelligenz“ profitieren kann und die Softwareexporte einen weiteren Schub erhalten.

 

Vorerst wird die Konjunktur wohl kaum etwas von ihrem Schwung einbüßen, dafür spricht das hohe Niveau der Stimmungswerte in der Wirtschaft. Der in den letzten Jahren stark vorangetriebene Ausbau der Infrastruktur dürfte sich mit anhaltend hohem Tempo fortsetzen. Für 2024 und 2025 erwarten wir jeweils ein Wirtschaftswachstum, dass erneut oberhalb von 7% liegt. Allerdings sind extreme Wetterereignisse ein großes Risiko für die Konjunktur und auch die Inflation, darauf weist auch die Notenbank hin. Wie zum Beweis, wurden in weiten Teilen des Landes im April und im Mai extremhohe Temperaturen und neue Hitzerekorde verzeichnet.

 

-- Dr. Christine Schäfer