Warum die Zinswende für den Aktienmarkt abgeschlossen ist
Konjunktursorgen haben Zinssorgen komplett abgelöst, Aktien- und Anleihekurse sind wieder negativ korreliert. Diversifikation im Portfolio ist somit erneut möglich.
Nach der jahrelangen Niedrigzinsphase ließ die Zinswende im vergangenen Jahr Anleiherenditen auf Niveaus ansteigen, die insbesondere für Aktieninvestments wieder eine ernsthafte Konkurrenz darstellen. Wenig überraschend stellte sich daraufhin eine gegenläufige Bewegung von Anleiherenditen und Aktienkursen ein. Wenn erstere anstiegen, wurden letztere belastet und umgekehrt, sprich die Korrelation von Aktien- und Anleiherenditen wurde negativ. Anleihen- und Aktienkurse litten während der Zinswende gleichermaßen, eine Diversifikation im Portfolio war unmöglich.
Seit dem (US-)Bankenbeben Anfang März hat sich diese Entwicklung gedreht. Die Korrelation zwischen Aktienkursen und Anleiherenditen ist wieder positiv. Hintergrund ist, dass das Aktienrisiko der Zinswende – als Treiber von Anlagealternativen – eingepreist zu sein scheint und nun Konjunktursorgen komplett im Vordergrund stehen. Die globale Konjunktur hat mit dem Bankenbeben ein neues materielles Risiko hinzubekommen. Rentierliche Staatsanleihen werden in diesem Umfeld wieder als sichere Häfen gehandelt. Nachdem Large-Caps auf beiden Seiten des Atlantiks nachweislich von dem inflationären Umfeld profitieren, wird Inflation im Zuge einer (anstehenden) Konjunktureintrübung eher als nachfrage-induzierte ökonomische Stärke angesehen, vor allem in Begleitung eines starken Arbeitsmarktes. Kurze Renditen reagieren auf die Inflationsentwicklung stärker als lange. Da europäische Aktien konjunktursensibler sind als US-amerikanische, ist der beschriebene Gleichlauf auch höher, sowohl mit Bundesanleihen als auch mit US-Staatsanleihen, schließlich sind die USA einer der Hauptabsatzmärkte der europäischen Exporteure.
Inflation und Notenbankpolitik werden in den Medien weiterhin als dominantes Aktienmarktrisiko dargestellt. Zwar hätte eine mögliche US-Leitzinserhöhung bei der kommenden Fed-Sitzung moderates Überraschungspotenzial und könnte daher temporär für Aktienmarktvolatilität sorgen. Dennoch dürfte ein solcher Zinsschritt auf Basis der angeführten Argumente sogar netto positiv für die Aktienmärkte sein. Dies gilt auch für den sonst zinssensitiven US-Markt. Der S&P 500 ex Tech weist seit Jahresbeginn immer noch einen Bewertungsabschlag auf, der auf die unsicheren Konjunkturaussichten zurückzuführen ist. Hier besteht Nachholpotenzial. Wenn die von uns erwartete milde US-Rezession im zweiten Halbjahr ausbleiben würde, könnte dies sowohl kurze als auch lange Zinsen und natürlich die Aktienmärkte in den USA und Europa unterstützen. Diversifikation im Portfolio ist endlich wieder möglich. Während der Zinswende litten alle Assetklassen unter der neuen Anlagealternative. Aufgrund der gegenläufigen Entwicklung von Aktien und Anleihen ist es nun wieder möglich, Portfolios mit einem sicheren Zinssockel und opportunistischen Aktienanlagen zu formen.
-- Sven Streibel