Ruckartige Straffung der Zinszügel

Zum dritten Mal in Folge wurden die US-Leitzinsen gestern Abend um 75 Basispunkte angehoben.

 

Die US-Notenbank bekräftigte außerdem, dass „weitere Erhöhungen des Zielbereichs angemessen sein werden“. Zudem seien die Notenbanker „fest entschlossen, die Inflation wieder auf ihr 2%-Ziel zurückzuführen“. Diese Aussagen lassen im Grunde genommen keinen anderen Schluss zu: Auch im November und damit rund eine Woche vor den US-Midterm-Wahlen steht erneut eine „Jumbo-Zinserhöhung“ von einem Dreiviertelprozentpunkt auf der Agenda. Die Fed bleibt am Ball, den Preisdruck zu bekämpfen.

 

Mit der einstimmigen Entscheidung wurde der Zinskorridor auf 3,00% bis 3,25% angehoben. Dies ist das höchste Niveau seit der Finanzkrise von 2008 und ein Anstieg von 300 Basispunkten seit Mitte März. Die Währungshüter gehen davon aus, dass der Leitzins bis zum Jahresende auf 4,4% und im Jahr 2023 auf 4,6 % steigen wird. Nach einer Zinsanhebung von 75 Basispunkten im November und einem Zinsschritt von 50 Basispunkten im Dezember sollen laut der US-Währungshüter Anfang 2023 nochmals 25 Basispunkte folgen.

 

Wann wird die Fed das Ausmaß der Leitzinserhöhungen wieder senken? Die Fed möchte erst überzeugende Beweise für einen Rückgang der Inflation sehen, bevor die Zinsanhebungen nachlassen – obwohl die restriktivere Geldpolitik erst mit einer erheblichen zeitlichen Verzögerung wirke. Dies bedeutet, dass die Notenbanker die Leitzinsen über den neutralen Zins anheben werden. Dies wird laut Fed-Powell zu einer wirtschaftlichen Abschwächung führen. Das böse „R“-Wort wurde jedoch nicht in den Mund genommen. Eher im Gegenteil, die Wirtschaft wird als relativ resistent bezeichnet, da der Arbeitsmarkt weiterhin sehr robust sei und die Konsumenten aufgrund der Coronazeit noch viele Ersparnisse haben. Die Projektionen bestätigen diese Einschätzung. So rechnen die FOMC-Mitglieder mit einer lediglich moderat höheren Inflationsrate und einer etwas schwächeren Wirtschaftsentwicklung im Vergleich zu den Juni-Projektionen.

 

Letzten Endes müssen laut Powell zwei Dinge geschehen, um die Inflation zu senken: ein unterdurchschnittliches Wachstum und eine Entspannung auf dem Arbeitsmarkt. Diese Interpretation deutet auf eine schöne, heile Welt hin. Es besteht jedoch die Gefahr, dass die US-Notenbank die geldpolitische Straffung übertreibt. In den vergangenen vierzig Jahren hat die Fed die Leitzinsen noch nie in so kurzer Zeit so stark gestrafft. Unseres Erachtens wird es sehr schwierig werden, den Spagat zwischen der Eindämmung der Inflation und der Vermeidung einer Rezession zu bewerkstelligen. Die Geschichte zeigt, dass diese Aufgabe anspruchsvoll, wenn nicht gar unmöglich ist.

-- Birgit Henseler


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