Hoch, höher, Zinsen: wer profitiert?

Steigende Leitzinsen, Mehrjahreshöchststände bei den Renditen an den Rentenmärkten – was für die Konjunktur vor allem eine Belastung sein mag, stellt für die Finanzbranche eine bedeutende Chance dar.

 

 

„Die Anhebung der Zinssätze ist ein Meilenstein auf unserem Weg zu einer niedrigeren Inflation.“ Es sind klare Worte, die Christine Lagarde, Präsidentin der Europäischen Zentralbank, im Juli gefunden hat, und mit denen sie keineswegs übertreibt. Mehr als eine Dekade lang kannten die Leitzinsen im Euroraum nur eine Richtung – abwärts. Mit dem entschlossenen Zinsschritt in Höhe von 50 Bp hat der EZB-Rat die 2014 eingeleitete Phase der Negativzinsen mit einem Schlag beendet. Dabei ist die EZB mit der Anhebung der Referenzzinssätze keineswegs allein – oder früh dran. Die Federal Reserve vollzog bereits im März dieses Jahres die Zinswende und hat die geldpolitische Marschrichtung seither dynamisch gestrafft.


Hintergrund der restriktiveren Gangart der Notenbanken sind die hohen Inflationsraten. Diese mögen zu einem nennenswerten Teil auf gestiegene Rohstoffpreise zurückzuführen sein. Mittlerweile stützt sich der Preisdruck jedoch auf eine breite Basis. Bis Ende nächsten Jahres dürften die Inflationsraten zwar zurückgehen. Die Zielniveaus der Notenbanken sollten aber weiterhin klar überschritten werden. Weitere Leitzinserhöhungen sind folglich angezeigt. Auch langfristig ist eine Rückkehr zu den Null- und Negativzinsen nicht zu erwarten. Vielmehr sollten strukturelle Veränderungen dazu beitragen, dass die Inflationsraten höher ausfallen als in der vergangenen Dekade – und mit ihnen die Leitzinsen.


Die Finanzmärkte stehen damit erst am Anfang einer Normalisierung der Geldpolitik und mit ihr der Zins- und Renditelandschaft. Für die Konjunktur und damit auch viele Unternehmen mag das Umdenken der Währungshüter zwar eine Belastung darstellen. Allerdings gibt es auch Profiteure. Dies gilt insbesondere für die Finanzbranche. Traditionelles Bankgeschäft wie die Fristentransformation kann sich wieder lohnen. Die sogenannten Strafzinsen fallen weg, die in den vergangenen Jahren für Einlagen bei der Europäischen Zentralbank zu entrichten waren und größtenteils nicht an die Kunden weitergegeben werden konnten.


Höhere Renditen festverzinslicher Wertpapiere dürften bei Finanzdienstleistern für Erleichterung sorgen. Versicherer sahen sich in den letzten Jahren mit der Herausforderung konfrontiert, die Garantieversprechen meist älterer Policen in einem Umfeld sehr niedriger Zinsen einlösen zu müssen. Erfreut dürften die Verantwortlichen zur Kenntnis nehmen, dass die Wiederanlagerendite neuerdings wieder höher ausfällt. Und noch eine weitere Gruppe an Gewinnern hat der Finanzsektor zu bieten: Handelsplätze und Zentralverwahrer, also die Börsenbetreiber. Möglichkeiten, vorhandene finanzielle Mittel renditeträchtiger anlegen zu können, spielen hier ebenso eine Rolle wie ein generell höherer Absicherungsbedarf, wenn Leitzinsen wieder zwei Richtungen kennen und sich nicht mehr nur von einer Expansionswelle zur nächsten entlanghangeln.

 

Timo Dums, Sören Hettler, Thorsten Wenzel