Italien: Vorgezogene Neuwahlen zur Unzeit

Es droht eine monatelange politische Hängepartie, die wichtige Reformen sowie die Haushaltsplanung gefährden könnte.

 

Das Politdrama in zwei Akten ist vorüber. Nachdem Staatspräsident Mattarella das gestrige, zweite Rücktrittsgesuch von Premierminister Draghi angenommen und per Dekret die Auflösung der beiden Parlamentskammern veranlasst hat, stehen nun in Italien am 25. September vorzeitige Neuwahlen an. Auf die Möglichkeit, einen neuen überparteilichen Ministerpräsidenten zu ernennen, wurde somit verzichtet.

 

Bis eine neue Regierung feststeht, bleibt die Draghi-Regierung geschäftsführend im Amt. Die vorgezogenen Neuwahlen kommen dabei längst nicht allen Parteien zugute. Die Fünf-Sterne-Bewegung (M5S) müsste aktuell die größten Verluste im Vergleich zum Wahlergebnis von 2018 hinnehmen. Bei der Lega halten sich die Zustimmungseinbußen zwar in Grenzen, allerdings liegt sie in den Umfragen hinter der rechts-nationalen Partei Fratelli d’Italia (FdI) und wäre damit in einer möglichen rechten Regierung nur als zweitstärkste Kraft vertreten. Als klarer Gewinner gegenüber 2018 ist daher lediglich die FdI unter Giorgia Meloni anzusehen, die im Durchschnitt der letzten Umfragen mit 23% sogar knapp vor den Demokraten (PD) mit 22% liegt. Zusammen mit der Partei Forza Italia von Silvio Berlusconi könnten die FdI und die Lega somit möglicherweise eine rechte Regierungskoalition bilden.

 

Allerdings sind die aktuellen Wahlumfragen mit hoher Unsicherheit belastet. Zum einen stellt sich die Frage nach der politischen Zukunft Mario Draghis. Es kursieren Spekulationen, wonach er als Spitzenkandidat für die PD antreten könnte. Zum anderen ist mit der jüngsten Abspaltung des italienischen Außenministers Di Maio von der M5S die neue Partei „Insieme per il futuro“ entstanden, die bislang in den Umfragen kaum Berücksichtigung findet.

 

Die gegenwärtige politische Krise kommt sowohl für Italien als auch für die EU zum denkbar schlechtesten Zeitpunkt. Durch die vorzeitigen Neuwahlen zeichnet sich eine monatelange politische Hängepartie ab. Dadurch gerät nicht nur die Umsetzung wichtiger Reformen im Rahmen des EU-Wiederaufbaufonds in Gefahr, sondern auch die fiskalpolitisch so wichtige italienische Haushaltsplanung für das kommende Jahr.

 

An den Staatsanleihemärkten quittierten die Anleger die politische Zitterpartie mit einem Anstieg des zehnjährigen BTP-Bund-Spread auf zwischenzeitlich 230 Bp. Als Risikoszenario handeln die Anleger dabei insbesondere die Option einer rechten Regierung, die aller Voraussicht nach auf Konfrontationskurs mit der EU gehen dürfte.

 

-- Sophia Oertmann