Krypto-Winter zum Start des Sommers
Während der Sommer näher rückt, bleibt die Stimmung am Kryptowährungsmarkt unterkühlt. Ein Krypto-Winter muss deswegen noch lange nicht zur Eiszeit werden.
Von einem Sommermärchen scheint das Kryptowährungssegment derzeit so weit entfernt zu sein wie der britische Premierminister Boris Johnson von einer soliden Amtsführung. Dabei dürften es weniger das abrupte Ende des Stablecoins TerraUSD und die damit zeitweise vorherrschenden Turbulenzen sein, die Bitcoin & Co. zu schaffen machen. Vielmehr sind es andere, nachhaltigere Gründe, die die führende Kryptowährung aktuell belasten. Zentralbanken weltweit legen eine restriktivere Gangart an den Tag, um dem hohen Preisdruck entgegenzuwirken. Damit stärken die Währungshüter nicht nur das Vertrauen in das traditionelle System, sondern sorgen über höhere Renditen auch dafür, dass Engagements in weniger exotischen Finanzmarktsegmenten wieder attraktiver werden. So rentieren selbst im Euroraum aktuell alle Staatsanleihen mit einer Laufzeit von mindestens zwei Jahren im positiven Bereich.
Zudem dürfte die momentan vorherrschende Erkenntnis, wonach der Bitcoin in Zeiten erheblich steigender Verbraucherpreise keinen adäquaten Inflationsschutz bietet, dessen Reputation nicht gerade gestärkt haben. Selbiges gilt für die hohe (negative) Korrelation mit der globalen Risikoaversion, die in den letzten Monaten zu beobachten war. Ein wesentliches Argument für eine Beimischung von Kryptowährungen in ein Portfolio verliert an Schlagkraft, wenn sich diese analog zum Aktienmarkt verhalten. Des Öfteren zu lesen ist außerdem, dass Miner gezwungen sind, geschürfte Bitcoins in größerem Umfang abzustoßen, wodurch sich an den Börsen das Angebot verfügbarer Einheiten erhöht. Dies kann der Fall sein, weil die Strompreise gestiegen sind oder die Kryptowährungen schlicht weniger wert sind. In beiden Fällen müssen mehr Bitcoins in traditionelle Währungen getauscht werden, um den Energieaufwand für die großen Rechnerfarmen zu bezahlen. Und als ob dies nicht schon genug der Belastung wäre, hat sich das globale Risikosentiment zuletzt aufgehellt, ohne dass Bitcoin & Co. davon profitiert hätten. Mehr als eine Konsolidierung um 30.000 USD liegt für die führende Kryptowährung aktuell offensichtlich nicht drin.
Eine langfristige Orientierungsmarke, die sich auf Basis eines intrinsischen Wertes oder eines etablierten Modells ermitteln ließe, gibt es beim Bitcoin nicht. Ein angeschlagenes Vertrauen aufseiten der Investoren kann daher ungezügelt auf den Kurs durchschlagen. Selbiges gilt aber auch für eine jederzeit mögliche Stimmungsaufhellung. Zwei Dinge dürfen in diesem Zusammenhang nicht vergessen werden. Zum einen liegt der Bitcoin-Kurs weiterhin deutlich oberhalb der Niveaus, die vor dem Start der Rallye im Herbst 2020 vorherrschten. Zum anderen hat die führende Kryptowährung schon deutlich ausgeprägtere Einbrüche durchlitten, ohne sich hiervon dauerhaft unterkriegen zu lassen.
--Birgit Henseler