Ukraine-Konflikt: Implikationen für die Märkte

Wie nachhaltig die Risikoaversion und die Unsicherheit die Märkte in Atem hält, hängt zweifelsohne von dem weiteren Vorgehen des Westens, den Gegenmaßnahmen von Russland sowie von dem Ausmaß der kriegerischen Auseinandersetzung in der Ukraine ab. Die Volatilität an den Märkten dürfte in den kommenden Wochen hoch bleiben.

 

Die Hoffnungen auf eine diplomatische Lösung des Ukraine-Konflikts wurden gestern Abend zunichtegemacht. Mit der Entscheidung des russischen Präsidenten Putin, Truppen in die selbst ernannten Republiken Donezk und Luhansk in der Ostukraine zu entsenden, haben sich die Sorgen um einen Krieg zwischen Russland und der Ukraine erhöht.

 

Was bedeutet die militärische Auseinandersetzung für die Geldpolitik? In diesem Zusammenhang muss zwischen der Geldpolitik in den Vereinigten Staaten und der Eurozone unterschieden werden. Da die wirtschaftlichen Auswirkungen für die Vereinigten Staaten begrenzt sein sollten, dürfte die Fed an ihrer geldpolitischen Ausrichtung festhalten. Angesichts der Unsicherheit an den Kapitalmärkten, die durch die geopolitischen Risiken rund um den Ukraine-Konflikt zugenommen haben, ist eine Zinsanhebung in Höhe von nur 25 Basispunkten im März wahrscheinlicher geworden. Weitere geldpolitische Schritte dürften im Verlauf des Jahres folgen, sodass die Fed-Funds-Rate Ende 2022 bei 1,25% steht.

 

Die EZB dürfte angesichts des Ukraine-Konflikts in den kommenden Monaten trotz einer hohen Inflation vorsichtig reagieren. Unser Basisszenario ist, dass die EZB ihre Wertpapierkäufe wie angekündigt in den kommenden Monaten reduzieren wird. Marktseitig wurde die erste Leitzinserhöhung der EZB mit den jüngsten Ereignissen zeitlich nach hinten verschoben. Da wir aber ohnehin nicht mit der geldpolitischen Wende im Juni oder Juli gerechnet hatten, sondern erst mit einer Anhebung des Einlagesatzes um 10 Basispunkte im September, halten wir an dieser vorsichtigen Prognose fest. Voraussetzung hierfür dürfte aber sein, dass die kriegerische Auseinandersetzung zeitlich begrenzt ist und sich in erster Linie auf die von den Separatisten besetzten Gebiete konzentriert. Je länger sich ein bewaffneter Konflikt hinzieht, desto eher dürfte die EZB die Leitzinsanhebung verschieben und eventuell erst gegen Ende des Jahres einen vorsichtigen Schritt wagen. Die momentanen Sorgen am Finanzmarkt könnten jedoch dazu führen, dass die Finanzierungskosten im Unternehmens- und Bankensektor ansteigen. Im Fall einer erhöhten Finanzmarktunsicherheit, die mit stark steigenden Credit-Spreads einhergeht, könnte die EZB mit neuen TLTROs und/oder einer Erhöhung des Tiering-Faktors reagieren. Außerdem könnte sie die Einstellung der Nettokäufe noch ein wenig hinauszögern.

 

Auch wenn sich die Sanktionen des Westens in Grenzen halten, könnten die Finanzmärkte in den kommenden Wochen durch eine höhere Unsicherheit belastet werden. Damit sollten Bunds als „sicherer Hafen“ gestützt bleiben und die Liquiditätshaltung dürfte zunehmen. Kurzfristig ist angesichts der erhöhten Risiken und der Sorgen über einen längeren bewaffneten Konflikt außerdem davon auszugehen, dass die Risikoprämien steigen. Sollte sich die Situation beruhigen, dürfte es hier jedoch zu einer Korrektur kommen.

 

-- Birgit Henseler


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