Deutschland: Rekordhoher Krankenstand zu Beginn dieses Winters

Hustende Fahrgäste im ÖPNV, viele krankgeschriebene Kolleginnen und Kollegen und wieder steigende Corona-Fallzahlen. Gefühlt hatten sich sehr hohe Infektionswellen im November und vor allem Dezember letzten Jahres ausgebreitet und große Teile der erwerbstätigen Bevölkerung erfasst. Der jetzt veröffentlichte rekordhohe Krankenstand Ende 2023 verdeutlicht die Ausmaße.

 

 

Danach war der Krankenstand unter den krankengeldberechtigten Mitgliedern der gesetzlichen Krankenkassen von bereits sehr hohen 6,6% im November auf 8,9% im Dezember in die Höhe geschossen. Das war nicht nur die höchste Quote, die in den letzten Jahrzehnten überhaupt in einem Monat gemessen wurde. Auch im Jahresdurchschnitt 2023 fiel der Krankenstand mit 6,1% so hoch aus wie noch nie seit 1980.

 

Für die Arbeitgeber bedeutet das steigende Kosten für die Entgeltfortzahlung im Krankheitsfall. Bereits 2022 hatten diese nach Schätzung des Instituts der deutschen Wirtschaft die 70-Mrd.Euro-Marke übersprungen. Unter Berücksichtigung des weiter gestiegenen Krankenstandes, von Lohnsteigerungen sowie teils höheren Sozialversicherungsbeitragssätzen dürften die Kosten 2023 weiter auf rund 75 Mrd. Euro gestiegen sein. Für die Wirtschaft ist jedoch der Produktionsausfall das größere Problem. Allerdings gelingt es oft, den Arbeitszeitausfall teilweise zu kompensieren durch Überstunden von Kollegen, durch Home-Office oder durch das Nacharbeiten bei Gesundung. Darüber hinaus werden Ausfälle durch Arbeitsverdichtung aufgefangen. Praktisch geschieht das, wenn Kollegen Aufgaben des Erkrankten mitübernehmen oder z. B. Ladenöffnungszeiten verkürzt werden und der gleiche Umsatz in weniger Zeit erzielt wird. Nach Berechnungen des Instituts für Weltwirtschaft kann ein erhöhter Krankenstand im Durchschnitt immerhin rund zur Hälfte kompensiert werden.

 

Doch wie geht es weiter? Dem langfristigen Trend eines steigenden Krankenstandes einer demographisch alternden Erwerbsbevölkerung steht die Normalisierung des in den Nach-Corona-Jahren in die Höhe geschossenen Krankenstandes gegenüber. Nach diesem Winter mit seinen zahlreichen Ansteckungen mit Grippe-, Corona- und RS-Viren sollte die Immunabwehr der Bevölkerung wieder besser trainiert sein. Außerdem dürften coronabedingt aufgeschobene Operationen allmählich abgearbeitet sein. Daher ist damit zu rechnen, dass das 2022 und 2023 sehr hohe Krankenstandniveau spätestens nach diesem Winter wieder spürbar sinkt, sich aber unter den üblichen Schwankungen tendenziell über Vor-Corona-Niveau einpendelt. Die Kosten durch krankheitsbedingte Arbeitsunfähigkeit sowie die wachstumsdämpfenden Effekte dürften dann entsprechend nachlassen.

 

-- Michael Stappel


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