Verschuldung und Gläubigerstruktur treiben US-Renditen

Der jüngste kräftige Anstieg der 10-jährigen US-Renditen dürfte unter anderem auf die hohe US-Staatsverschuldung und eine veränderte Gläubigerstruktur zurückzuführen sein.
 


Die Rendite 10-jähriger US-Staatsanleihen ist seit dem Frühsommer um 150 Basispunkte gestiegen. Insbesondere seit Anfang September hat dieser Anstieg nochmals deutlich an Dynamik gewonnen. Zuletzt wurde sogar (wenn auch nur kurzfristig) die 5 %-Marke überschritten. Kommentatoren, Investoren und Analysten suchen händeringend nach einer überzeugenden Erklärung für die jüngsten Entwicklungen. In diesem Zusammenhang wird derzeit viel über den wachsenden Schuldenberg der USA und die Nachfrage nach US-Staatsanleihen aus dem Ausland diskutiert.

 

Ein Grund für die steigenden Renditen dürfte die Unsicherheit darüber sein, wie sich die Staatsverschuldung in den kommenden Jahren entwickeln wird. Die US-Regierung steht diesbezüglich derzeit stark in der Kritik. Aber schon in den letzten Jahren gab es immer wieder politische Pattsituationen bei der Festlegung der Schuldenobergrenze und Lösungen für Haushaltsprobleme wurden oft erst in letzter Minute beschlossen. Hinzu kommt, dass sich die Haushaltslage der USA in den letzten Jahren zunehmend verschlechtert hat. Das Fehlen eines mittelfristigen finanzpolitischen Rahmens und ein kompliziertes Haushaltsverfahren haben zusammen mit wirtschaftlichen Schocks, Steuersenkungen und neuen Ausgabeninitiativen dazu beigetragen, dass die Verschuldung in den letzten zehn Jahren kontinuierlich angestiegen ist. Das Primärdefizit, d.h. die Differenz zwischen den Staatseinnahmen und -ausgaben ohne Berücksichtigung der Zinszahlungen, hat sich seit 2007 deutlich ausgeweitet. Dies deutet auf strukturelle Haushaltsprobleme hin. Steigende Zinsen werden zudem die Kosten für den Schuldendienst in den kommenden Jahren in die Höhe treiben. All dies sorgt für Unsicherheit und hat zuletzt zu einem deutlichen Anstieg der Renditen beigetragen.

 

Da die USA nicht mehr von allen Ratingagenturen mit der Bestnote bewertet werden, wächst die Sorge, dass Investoren verstärkt nach Alternativen suchen. Aber auch andere Länder haben mit steigenden Schuldenständen zu kämpfen. Deutsche Bundesanleihen profitierten bereits von der Unsicherheit an den Finanzmärkten - der Renditeanstieg fiel zuletzt geringer aus als in den USA. Die schwache konjunkturelle Entwicklung, strukturelle Probleme, demografische Herausforderungen und steigende Energiepreise belasten jedoch den Ausblick für die deutsche Staatsverschuldung. Auch in der Eurozone steigt die Verschuldung stark an, so dass Anleihen aus dem Euroraum kaum eine Alternative zu den US-Staatsanleihen darstellen. Großbritannien verfügt nicht mehr durchgängig über ein AAA-Rating und leidet ebenfalls unter einem hohen Schuldenberg. Anderen staatlichen Emittenten wie Kanada, Australien, Schweden, Dänemark oder Norwegen mangelt es an Markttiefe und Liquidität.

 

Dennoch hat sich die Gläubigerstruktur am US-Staatsanleihemarkt in den letzten Jahren bereits deutlich verändert. Bis 2015 waren offizielle Investoren aus dem Ausland (vor allem Zentralbanken) die größten Halter von US-Treasuries. Seit 2015 ist jedoch ein gegenläufiger Trend zu beobachten. Der Rückzug der Zentralbanken aus dem US-Treasury-Markt trifft mit dem Rückzug der Fed seit Mitte 2022 zusammen - und verläuft damit im Gleichschritt mit dem starken Anstieg der US-Renditen. Aber: Privatanleger in den USA haben in den letzten 1-2 Jahren ihre Investitionen in US-Staatsanleihen deutlich ausgeweitet. Steigende Renditen haben bisher genügend private Nachfrage nach US-Staatsanleihen generiert, um den Rückzug der Fed zu kompensieren.

 

Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die USA mit einer wachsenden Verschuldung und einer sich verändernden Gläubigerstruktur konfrontiert sind. Private Investoren spielen eine immer wichtigere Rolle, während öffentliche Investoren aus dem In- und Ausland an Bedeutung verloren haben. Dies hat Auswirkungen auf die Nachfrage nach US-Staatsanleihen und könnte längerfristig zu Veränderungen der US-Renditen führen. Kurzfristig erwarten wir eine Abschwächung der konjunkturellen Dynamik in den USA, was Spekulationen über Zinssenkungen der US-Notenbank im kommenden Jahr nähren und den jüngsten Renditeanstieg vorerst bremsen dürfte.

 

-- Birgit Henseler und Sonja Marten


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