Britische Inflation äußerst hartnäckig

Die Inflationsrate in Großbritannien bleibt im Mai unverändert bei hohen 8,7%, die Kernrate steigt sogar auf ein neues Rekordhoch von 7,1%. Kräftige Lohnsteigerungen haben die Preise von Dienstleistungen deutlich erhöht – für die Bank of England bleibt Handlungsbedarf.
 


Erneut meldet Großbritannien ernüchternde Inflationsdaten: Entgegen ohnehin nur vorsichtiger Erwartungen eines leichten Rückgangs der Inflationsrate, hat sich die Teuerungsrate der Verbraucherpreise im Mai überhaupt nicht weiter ermäßigt, sondern verharrt auf hohem Niveau bei 8,7% (J/J). Damit hat sich der Abstand zu den Inflationsraten der anderen großen Industriestaaten (G7) weiter gespreizt. Dabei ist Energie, der Preistreiber des vergangenen Jahres, zuletzt erneut deutlich günstiger geworden. Allerdings ziehen sich durch alle anderen Bereiche der Lebenshaltungskosten kräftige Preisanstiege – angefangen bei Nahrungsmitteln, über nicht-energetische Güter, bis hin zu diversen Dienstleistungen wie Flugreisen oder Freizeitangeboten. Die Kernrate der Inflation, die Energie- und Nahrungsmittelpreise ausklammert, verzeichnet denn auch mit einem weiteren Anstieg von 6,8% auf 7,1% einen neuen Rekordwert.

 

Vor allem der starke Preisauftrieb bei Dienstleistungen ist kritisch, gilt er doch hauptsächlich als „hausgemacht“ und Warnzeichen einer beginnenden Preis-Lohn-Spirale in Großbritannien. In der Tat hat das Lohnwachstum in den vergangenen Monaten kräftig um über 7% (J/J) angezogen, der Mindestlohn, den rund 5% aller Beschäftigten erhalten, kletterte sogar um mehr als 10%. Ausgedehnte Streiks während des zurückliegenden Winterhalbjahrs haben hierzu ihren Beitrag geleistet. Auch bleibt der Arbeitsmarkt weiterhin eng: Die Zahl der offenen Stellen ist mit über einer Million weiterhin hoch, die Arbeitslosenquote ist zuletzt wieder leicht auf 3,8% – nahe ihres Rekordtiefs – gesunken. 

 

Die heutigen Inflationsdaten werfen ihren Schatten voraus auf die morgige Zinsentscheidung der Bank of England (BoE). Eine weitere Zinserhöhung galt schon vorher als ausgemacht – jetzt wohl noch mehr, und es dürfte nicht der letzte Schritt der Währungshüter in diesem Zyklus gewesen sein. Zwar ist im weiteren Jahresverlauf noch mit einem deutlichen Rückgang der Inflationsrate zu rechnen, schon aufgrund günstigerer Energiepreise. Für Juli beispielsweise sind bereits Ermäßigungen der Strom- und Gastarife für die privaten Haushalte um rund 20% in Aussicht gestellt. Gleichwohl dürfte die Teuerung auch im Jahresschnitt 2023 mit über 7% deutlich über den Vergleichswerten der anderen G7-Staaten bleiben.

 

Das Risiko dieses Ausblicks ist, dass die Kerninflation weiterhin hartnäckig hoch bleibt. Die kräftigen Lohnsteigerungen haben die verfügbaren Einkommen der privaten Haushalte und deren Konsumausgaben stabilisiert, so dass die britische Wirtschaft trotz der hohen Inflation bislang nicht in die Rezession abgerutscht ist. Festigt sich der Preisdruck, dürfte sich die BoE gezwungen sehen, die Zinsschraube noch stärker anzuziehen, um den Konsum zu schwächen. Dann wäre die Rezession in Großbritannien wohl doch nicht mehr zu vermeiden.

 

-- Monika Boven


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