Das wird schwierig: China will auch 2024 um „rund 5%“ wachsen
Die chinesische Regierung hat das Wachstumsziel für dieses Jahr unverändert bei „rund 5%“ belassen. Ohne staatliche Konjunkturhilfen wird dies kaum zu erreichen sein. Wir halten an unserer vorsichtigen Wachstumsprognose fest.
Zugegeben, die chinesische Regierung stand in diesem Jahr vor einem echten Dilemma bei der Festlegung der Wachstumsvorgabe für 2024: Sollte sie den Zielwert wie schon in den vergangen zehn Jahren weiter kürzen, um realistischerweise den sinkenden Wachstumsmöglichkeiten des Landes Rechnung zu tragen, die sich schon allein aus der mittlerweile schrumpfenden Bevölkerung ergeben? Das hätte das stark angeschlagene Sentiment an den heimischen Finanzmärkten, das zuletzt nur mühsam stabilisiert werden konnte, vermutlich erneut erschüttert. Oder behält sie das Ziel vom letzten Jahr bei, um Stabilität und Zuversicht für die chinesische Wirtschaft zu signalisieren, auch wenn die Vorgabe aus jetziger Sicht nur schwer zu erreichen ist? Zumal eine Verfehlung des Wachstumsziels ebenfalls als politisch heikel gilt und entsprechend in der Vergangenheit nur äußerst selten vorkam. Peking hat sich trotzdem für letzteres entschieden und das Wachstumsziel wie im Vorjahr bei „rund 5%“ belassen.
Damit ist die Kluft zwischen der staatlichen Vorgabe und den Wachstumserwartungen für China vergleichsweise groß. Kaum ein Konjunkturbeobachter erwartet für das diesjährige chinesische Wirtschaftswachstum eine fünf vor dem Komma, viele sehen das Potenzialwachstum des Landes inzwischen eher bei 4½%. Dass die chinesische Wirtschaft das Wachstumsziel im vergangenen Jahr mit 5,2% gut eingehalten hat, lag vor allem an den positiven – hauptsächlich statistischen – Post-Corona-Effekten, die es in diesem Jahr nicht geben wird. Hinzu kommen mit der Rezession im Bausektor durch die anhaltende Immobilienkrise und der Schwäche des privaten Konsums massive konjunkturelle Probleme, wodurch das Wirtschaftswachstum in diesem Jahr tendenziell eher unter seinen Möglichkeiten bleiben dürfte.
Ohne deutliche staatliche Hilfsmaßnahmen wird das Wachstumsziel in diesem Jahr nicht einzuhalten sein. Allerdings hat die Regierung zuletzt von größeren Fiskalpaketen, wie sie in der Vergangenheit in wirtschaftlichen Schwächephasen stets aufgelegt wurden, aus gutem Grund abgesehen, da die Verschuldungssituation der Kommunen und Provinzen aufgrund der kostspieligen Null-Covid-Politik inzwischen äußerst angespannt ist. Und die nun vorgelegte Finanzplanung sieht auch keine übermäßig stimulierende Ausweitung der Staatsausgaben vor. Stattdessen setzt Peking auf die „neuen Wachstumskräfte“ von Zukunftstechnologien, wie Künstlicher Intelligenz, big data oder 5G-Telekommunikation. Längerfristig betrachtet sind dies sicherlich wichtige Schlüsselfaktoren, um das Potenzialwachstum zu stärken und den Wohlstand des Landes zu steigern. Kurzfristig werden deren Impulse jedoch nicht reichen, um die aktuelle Wachstumsschwäche zu überwinden, zumal die Sektoren durch westliche Exportverbote von Hochtechnologie ohnehin mit Gegenwind zu kämpfen haben.
Aus jetziger Sicht gehen wir deshalb davon aus, dass die chinesische Wirtschaft die staatliche Wachstumsvorgabe in diesem Jahr deutlich verfehlen wird und belassen unsere Wachstumsprognose unverändert bei 4,3%.
-- Monika Boven