Jetzt also auch Schanghai…

Die größte Stadt Chinas geht in einen mehrtägigen Lockdown. Hintergrund ist der starke Anstieg vor allem asymptomatischer Corona-Fälle. Für Chinas Wirtschaft ist das ein weiterer Rückschlag.

 


In die jüngere chinesische Geschichte wird der März 2022 wohl als der Monat eingehen, in dem das Corona-Virus mit Wucht nach China zurückkam. Lange Zeit wähnte man in der Volksrepublik das Infektionsgeschehen unter Kontrolle – vor allem dank der strikten Null-Covid-Strategie. Seit Anfang März aber steigt die Zahl der Neuinfektionen wieder so kräftig wie seit dem Erstausbruch in Wuhan nicht mehr. Gleich mehrere Regionen sind von der aktuellen Welle betroffen: Die industriell geprägte Provinz Jilin im Nordosten Chinas, die Technik- und Exporthochburg Shenzhen im Süden des Landes und die Finanzmetropole Schanghai. Diese geht nun stufenweise in einen mehrtägigen Lockdown: bis Freitag dürfen die Bewohner des Ostteils der Stadt ihre Wohnungen nicht verlassen, anschließend bis zum 5. April trifft es die Einwohner des Westteils. Mitte März war bereits Shenzhen von einem einwöchigen Komplett-Lockdown betroffen, inzwischen sind die Fallzahlen dort aber wieder gesunken. Auch in Jilin hat sich das Infektionsgeschehen stabilisiert.

 

In Schanghai waren bis vor einigen Tagen lediglich einzelne Wohnblöcke abgeriegelt worden, vor einem Lockdown hatten die Behörden bislang zurückgeschreckt. Das hängt mit der Wirtschaftskraft der Metropole zusammen, die allein für knapp 4% des chinesischen BIP steht und den weltgrößten Containerhafen beherbergt. Aber auch die Zahl der Corona-Kranken war eine Zeit lang wieder gesunken. Für immer größere Beunruhigung hat nun jedoch der starke Anstieg asymptomatischer Corona-Infektionen gesorgt, die in China, anders als hierzulande, gesondert ausgewiesen werden und jetzt wohl aufgrund der Massentests entdeckt werden. 107 symptomatischen Infektionen standen in Schanghai zuletzt 4.381 symptomfreie Corona-Fälle gegenüber – rund drei Viertel aller in China erfassten asymptomatischen Infektionen, eine Verfünffachung innerhalb einer Woche und in Schanghai gleichbedeutend mit einer 7-Tage-Inzidenz von über 60. Gerade mit Blick auf die verheerenden Erfahrungen in Hongkong wollten die Behörden eine solche Dynamik wohl nicht länger dulden.

 

Nach den Einschränkungen der vergangenen Wochen ist dieser neue Lockdown ein weiterer Rückschlag für die Erholung der chinesischen Wirtschaft. Nicht nur zahlreiche Industriebetriebe sind von der Entscheidung überrumpelt worden und lassen die Fertigung nun pausieren. Auch in der Hafenabfertigung ist mit Störungen zu rechnen, die wohl weltweit ausstrahlen werden. Völlig überraschend kommt diese Entwicklung jedoch nicht. Wir hatten schon zu Jahresbeginn befürchtet, dass Chinas Null-Covid-Politik mit der Omikron-Variante an ihre Grenzen stößt und sich punktuelle Lockdowns häufen werden. Deshalb rechnen wir in China in diesem Jahr auch nur mit einem Wirtschaftswachstum von 4,4%, also einer deutlichen Verfehlung des offiziellen Wachstumsziels, das bei 5,5% liegt.


-- Monika Boven