Der Anleger-Optimismus ist nicht verloren
Die jüngste Kursrally des DAX war zwar eine Eintagsfliege, zeigte jedoch, dass der Anleger-Optimismus noch vorhanden ist. Kurzfristig liegt das Aktienmarktrisiko weiterhin in der Nachrichtenlage, mittelfristig sehen wir stattliches Kurspotenzial.
1.000 DAX-Punkte an einem Tag, das gab es noch nie. Nach Gerüchten über eine mögliche Annäherung Russlands und der Ukraine legte der DAX am Mittwoch in Indexpunkten gemessen eine historische Rekord-Rally hin. Es profitierten insbesondere die Branchen, die seit Kriegsbeginn am meisten unter den gestiegenen Konjunktursorgen leiden mussten, Autos, Banken und Industriewerte. Dieses Ereignis war aufschlussreich, denn es bestärkt unsere bestehende Einschätzung des kurz- und mittelfristigen Aktienmarktumfeldes:
(1) Kurzfristig liegt das Aktienmarktrisiko in der Nachrichtenlage, daher sollte die Volatilität weiterhin hoch bleiben. Kurse reagieren auf Nachrichten aber in beide Richtungen, der Anleger-Optimismus ist daher nicht verloren gegangen. Es werden aufgrund der unsicheren Lage schlicht erhöhte Risikoprämien für Aktieninvestments gefordert.
(2) Mittelfristig ist das Kurspotenzial allerdings stattlich. Die positive Dynamik der Gewinnerwartungen ist zwar seit dem Kriegsbeginn etwas zurückgegangen, jedoch nicht eingebrochen. Dies zeigt, dass derzeit nicht von einem realwirtschaftlich nachhaltigen Konjunktureinbruch oder Gewinnrückgang der Unternehmen ausgegangen wird. Die aktuell kriegsbedingten Risikoprämien sollten sich demnach wieder auflösen sobald die Lage merklich entschärft wird. Dies gilt übrigens auch für die Abschläge, die infolge der vierten Corona-/Omikron-Welle eingepreist wurden. Diese könnten sich mit erneuten Lockerungsmaßnahmen ebenso einengen. Der deutsche Aktienmarkt würde aufgrund seiner global-zyklischen Ausrichtung noch mehr profitieren als der US-Markt. Beim aktuellen Stand der Gewinnerwartungen für 2022 sowie der zehnjährigen Bund-Renditen würde schon ein Rückgang der Risikoprämie auf das Vorkriegsniveau ausreichen, um den DAX auf unser Kursziel für die Jahresmitte von 15.000 Punkten zu heben.
Daher empfehlen wir zwar weiterhin die Ruhe zu bewahren und die Anlagen zu diversifizieren. Anleger sollten sich aber auch chancenreich aufstellen. Daneben besteht kurzfristig immer noch die Möglichkeit, dem bestehenden Inflationsdruck und einer temporären kriegsbedingten Konjunkturverlangsamung in Europa, sprich einer kurzfristigen Stagflation, mit Realwerten und den mit ihnen verbundenen Aktien entgegenzugetreten.
-- Sven Streibel