Inflation ist (k)ein Ausweg aus der Verschuldung

In den vergangenen Monaten sind die Inflationsraten nicht nur in den USA, sondern auch in der Europäischen Währungsunion stark angestiegen. Daher ist die Sorge vor anhaltend höheren Inflationsraten neben den Auswirkungen der Corona-Pandemie aktuell das marktbewegende Thema Nr.1 und führte zu deutlichen Renditeanstiegen bei EWU-Staatsanleihen. Doch was bedeuten höhere Inflationsraten für die Entwicklung der EWU-Schuldenstände? Schließlich sind Staatsschulden eine nominale Größe, sodass ihr realer Wert bei einer Entwertung des Preisniveaus sinkt.

 

 


Unsere Berechnungen auf Basis der makroökonomischen Prognosen des Internationalen Währungsfonds zeigen, dass höhere Inflationsraten auf Sicht von fünf Jahren dabei helfen können, den Schuldenstand deutlich zu reduzieren. Unter der Annahme, dass die BIP-Deflator-Inflation ab 2022 3% pro Jahr betragen würde und somit die Teuerung moderat erhöht ist, würde die italienische Schuldenstandsquote von 156% Ende 2020 bis 2026 um 20 Prozentpunkte (Pp.) fallen. Bei einer jährlichen Teuerungsrate von 5% ab 2022 und damit einem noch deutlicheren Überschießen des Inflationsziels würde die Schuldenstandsquote im gleichen Zeitraum sogar um 32 Pp. sinken. Italien würde der Schuldenabbau bei einem längerfristigen Überschießen des EZB-Inflationsziels von 2% massiv erleichtert.


Je höher die Schuldenstandsquote und je geringer das Primärdefizit, desto stärker zeigt sich der Effekt der Inflation auf die Schuldenlast. Mittelfristig können anhaltend hohe Inflationsraten allerdings einen Anstieg des Renditeniveaus bewirken, sodass die Refinanzierungskosten für die Staaten steigen dürften. Durch die Duration der Staatsverschuldung ergibt sich ein Wettlauf gegen die Zeit. Dabei gilt: Je höher die Duration, desto länger profitiert ein Staat vom aktuellen Niedrigzinsumfeld und den im Szenario modellierten hohen Inflationsraten, bevor er sich vollständig zu den gestiegenen Zinskonditionen refinanzieren muss. Allerdings führt ein Vertrauen der Staaten auf die Inflation als Mechanismus zur Entschuldung längerfristig sowohl zu Bonitätsrisiken als auch zu einer weiteren Abhängigkeit von der EZB. Aus Anlegersicht bleiben Bonitätsrisiken daher mittelfristig ein wichtiger Treiber für die Spreadperspektiven von EWU-Staatsanleihen. Insbesondere für Länder mit einem hohen Primärdefizit sollte daher ein tendenziell ausgeglichener Haushalt das oberste Ziel zur Sicherstellung nachhaltiger Staatsfinanzen sein.

 

-- Sophia Oertmann und Sebastian Fellechner