Invasion der Ukraine: Unsicherheit für die Anleihemärkte

Nach Beginn der russischen Invasion der Ukraine sind die Folgen für die Anleihemärkte bislang schwer abzuschätzen. Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dürfte zunächst eine Flucht der Investoren in die sicheren Häfen einsetzen.

 

Russland hat nach einer Ankündigung seines Präsidenten Putin mit der Invasion der Ukraine begonnen. Die weiteren Entwicklungen sind aktuell nur sehr schwer abzuschätzen. Wie schnell und tief kann die russische Armee in die Ukraine vordringen? Wie werden die westlichen Mächte auf den Akt der Aggression reagieren? Wie wird sich China, das sich in der Vergangenheit oft an die Seite von Russland gestellt hat, verhalten? Wie lange zieht sich der Konflikt hin? Kurzum: Es herrscht sehr hohe Unsicherheit über die nahe Zukunft. Diese Unsicherheit wird sich unweigerlich auf die Anleihenmärkte auswirken. Eine diplomatische Lösung im Russland/Ukraine-Konflikt rückt angesichts der jüngsten Entwicklungen erst einmal in weite Ferne.

Mit sehr hoher Wahrscheinlichkeit dürfte zunächst eine Flucht der Investoren in die sicheren Häfen einsetzen. Riskantere Wertpapiere dürften hingegen veräußert werden. Im Klartext: Die Nachfrage nach sicheren Staatsanleihen wie beispielsweise Bundesanleihen wird deutlich zunehmen. Das Gleiche könnte auch für hohe Bonitäten in den Bereichen Covered Bonds und Agency Anleihen gelten. Unternehmens- und Bankanleihen drohen hingegen größere Spreadausweitungen zu durchlaufen. Wie weit diese gehen können, hängt von den bereits angesprochenen Gegenmaßnahmen des Westens ab. Eine schrittweise Anpassung der Risikoaufschläge je nach Neuigkeitslage scheint vor diesem Hintergrund realistisch. Dass die Höchststände während der Pandemiephase wieder erreicht werden, erachten wir vom aktuellen Standpunkt aus noch als eher unwahrscheinlich, aber je nach weiterer Entwicklung auch nicht für unmöglich.

Auf jeden Fall wird an den Anleihemärkten wieder eine verstärkte Segmentierung einsetzen, die die Europäische Zentralbank (EZB) in den vergangenen Quartalen durch ihre ultraexpansive Geldpolitik und insbesondere durch die Anleihekaufprogramme recht gut eindämmen konnte. Die Märkte könnten auch ein Stagflationsszenario durchlaufen. Eine mögliche Reaktion der EZB, um eine erneute Segmentierung der Märkte einzufangen, könnte eine Adjustierung der Anleihekaufprogramme sein. Damit würde sie unserer Meinung nach die drohenden Ausweitungen der Risikoprämien bremsen, ganz verhindern wird sie diese nicht können. Aufgrund der aktuellen Unsicherheiten sind exakte Prognosen nur schwer zu treffen. Wir verfolgen die Entwicklungen eng und informieren Sie weiter mit unseren Einschätzungen entlang der sich wohl volatil entwickelnden Lage.

 

-- Günther Scheppler