Italien: Ein Hauch von Papstwahl
Was haben die Wahl des italienischen Staatspräsidenten und das Konklave im Vatikan gemeinsam? Mehr als man auf den ersten Blick vermutet. Zugegebenermaßen ist der italienische Staatspräsident kein absolutistischer Herrscher und sein Einflussbereich beschränkt sich allein auf weltliche Angelegenheiten. Allerdings weist der Ablauf der Staatspräsidentenwahl durchaus ein paar Besonderheiten auf, die an ein Konklave erinnern. Am 24. Januar beginnt die Wahl des Staatspräsidenten und nur wenige Tage davor gibt es zwar Favoriten und eine Reihe von Interessenten an dem Amt, allein bei Ex-Premier Berlusconi ist bis dato aber von einer Kandidatur sicher auszugehen. Mit mindestens vier Wahlrunden ist zu rechnen, weil erst dann eine absolute Mehrheit der Stimmen ausreicht. In der Vergangenheit gab es aber auch schon bis zu 23 Wahlrunden bis – allerdings nur sprichwörtlich – weißer Rauch aufstieg. Im Laufe des Wahlprocederes können sogar neue Kandidaten ins Rennen gehen, sodass der Ausgang bis zuletzt spannend werden dürfte.
Neben Berlusconi hat auch Premier Draghi Interesse an dem Amt durchblicken lassen. Sowohl die Parteien links als auch rechts der Mitte diskutieren jeweils aber bereits auch über mögliche Ersatzkandidaten, weil keines der Lager in der den Präsidenten wählenden Versammlung eine absolute Mehrheit hat.
Nicht nur für Italien, auch aus Marktsicht ist der Ausgang der Wahl durchaus von Bedeutung. Hierbei sind zwei Fragen entscheidend: Wird Draghi in das Präsidentenamt wechseln und wenn ja, wer folgt ihm als Regierungschef? Fällt die Antwort auf die erste Frage mit „ja“ aus, dürfte die Zeit der politischen Stabilität in Italien vorüber sein. Der Fortbestand der Vielparteienkoalition stünde infrage, was der Markt sicher auch mit höheren Risikoaufschlägen bei italienischen Staatsanleihen quittieren würde. Vorzeitige Neuwahlen könnten, müssten aber nicht die Konsequenz sein. Noch ist aber nicht absehbar, welche Persönlichkeit Draghi als Premier ersetzen und ob dessen politische Integrität ausreichen würde, um den Fortbestand der Regierungskoalition zu sichern. Erst wenn die Regierung wirklich scheitert und ein Urnengang unausweichlich ist, dürfte die Risikoaversion im Markt am größten sein. Aktuelle Umfragen sehen die rechten und EU-kritischen Parteien vorne, was nicht nur bei Anlegern ungute Erinnerungen an frühere Konflikte zwischen Rom und Brüssel weckt. Zuvor muss aber erst ein neuer Präsident gefunden werden – in einem nicht ganz alltäglichen Wahlprocedere.
Daniel Lenz