Opec+ behält sich das Hintertürchen ganz weit geöffnet
Die Opec+ hält an ihrem Produktionsplan fest und wird im Januar trotz bestehender Omikron-Unsicherheiten und der Tatsache, dass die USA ihre strategischen Reserven angezapft haben, die Produktion um 0,4 MMBD anheben. Allerdings hält man sich ein Hintertürchen offen! Es wird betont, dass die „Opec+“-Granden das Meeting nicht für beendet erklären, was so viel heißt wie, eine Anpassung der eingeschlagenen Strategie ist jederzeit möglich und nicht erst beim nächsten Meeting im Januar. Die Anleger ließen sich dadurch positiv beeinflussen und der Rohölpreis hat wieder an Boden gewinnen können.
Weltweit werden immer mehr Reisebeschränkungen wegen der Omikron-Mutante des Corona-Virus verhängt. Ein Rückgang der Ölnachfrage im ersten Quartal 2022 scheint daher unausweichlich. Sollte sich die Nachfrageschwäche so zeigen, wie wir sie erwarten, dann wird auch die Opec+ ihre Produktionsstrategie anpassen und gegensteuern. Wir rechnen hier mindestens mit einem einmaligen Pausieren der monatlichen Produktionsanhebung der Opec+. Dennoch wird der zu erwartende Angebotsüberhang zu Jahresbeginn zunächst größer ausfallen als bisher veranschlagt.
In der aktuellen Lage ist die Volatilität am Rohölmarkt sehr hoch. Dies wird wegen der Omikron-Unsicherheiten vorerst auch so bleiben. Allerdings sollten Anleger nicht in Panik verfallen. Obwohl wir eine Nachfragedelle erwarten, wird sie keinesfalls vergleichbar sein mit der im Frühjahr 2020. Damals waren zum Beispiel fast keine Passagierflugzeuge in der Luft. Zudem darf nicht vergessen werden, dass der Nachfrageschwäche-Effekt am Rohölmarkt durch ein Aussetzen der geplanten Produktionserhöhungen oder gar eine Drosselung der Förderung abgemildert werden kann. Die Opec+ jedenfalls hätte jederzeit die Möglichkeit dazu. Obwohl wir die Brent-Rohöl- Preisreaktion kurzfristig für überzeichnet halten, sehen wir uns wegen der neuen Omikron-Gemengelage dennoch veranlasst, unsere Dreimonatsprognose auf 77 USD (zuvor: 82 USD) zu senken. Für den weiteren Jahresverlauf 2022 wird sich die Nachfrage wieder stabilisieren, allerdings steht dem die weiterhin hohe Opec-Reservekapazität als Puffer gegenüber. Im zweiten Halbjahr 2022 wird dann langsam wieder klarer, dass das Angebotswachstum für das Gesamtjahr auch dank der US-Fracker, einer steigenden Opec+ Produktion und einer möglichen Rückkehr der iranischen Barrel höher ausfällt als die Nachfragesteigerung. Der sich demzufolge weiter abbauende Knappheitsgrad dürfte den Brent-Rohölpreis in 12 Monaten auf 68 USD drücken.
Gabor Vogel
