Frankreich: Der Nebel lichtet sich
Die Französische Revolution brachte eine vollständige Umwälzung fast aller Lebensbereiche des Ancien Régime mit sich – selbst vor dem Kalender wurde keine Ausnahme gemacht. So fielen weite Teile des vormaligen „Novembre“ nun in den „Brumaire“, den Nebelmonat. Mit dessen Ende hat sich in den letzten Tagen auch der Nebel über dem Kandidatenfeld für die französische Präsidentschaftswahl im April 2022 gelichtet.
Am Wochenende hat das bürgerliche Lager der konservativen Les Républicains (LR) mit Valérie Pécresse im Rahmen einer Mitgliederbefragung erstmals eine Frau zur Kandidatin um das höchste Amt im französischen Staate gemacht. Die 54-jährige Präsidentin der Hauptstadtregion Île-de-France gilt als erfahrene Politikerin (sie war bereits unter Sarkozy Bildungs- und später Haushaltsministerin) und soll neben Margaret Thatcher auch Angela Merkel zu ihren Vorbildern zählen. In den letzten Umfragen lag Pécresse bei etwa 10 Prozent - aussagekräftigere Werte sind allerdings erst in den kommenden Wochen zu erwarten, da ihre Partei bislang keinen finalen Kandidaten hatte.
Am Samstag hat auch der 63-jährige Éric Zemmour den Wahlkampf für seine Reconquête (Wiedereroberung) Frankreichs eingeleitet. Der Rechtspopulist steht für eine äußerst nationalistische Anti-Migrations-Politik und polarisiert entsprechend. Mit Zustimmungswerten von rund 15 Prozent ist Zemmour inzwischen eine ernstzunehmende Größe im Wahlkampf. Finanzmarktseitig dürfte zudem sein Euroskeptizismus für Stirnrunzeln sorgen. Im Gegensatz zum Wahlkampf von Marine Le Pen im Jahr 2017 ist ein Frexit aus der EU bzw. Eurozone zwar nicht zentraler Punkt seiner Agenda – als Droh- und Druckmittel ist ein solcher jedoch stets opportun.
Le Pen (Rassemblement National) ist, vor Zemmour und Pécresse, mit einem weniger radikalen Programm als vor fünf Jahren und Zustimmungswerten von knapp 20 Prozent derzeit die wahrscheinlichste Kandidatin für eine Stichwahl gegen den Amtsinhaber. Dieser führt mit knapp 25 Prozent die Umfragen klar an und würde, Stand heute, auch in einer Stichwahl gegen alle Gegner siegen. Bislang hält sich Emmanuel Macron jedoch aus den Niederungen des Wahlkampfes heraus und zeigt sich als mehr oder weniger tatkräftiger Staatschef – eine offizielle Kandidatur steht noch aus. Laut Gesetz wäre hierfür noch bis Anfang März Zeit – ein gewisser Restnebel dürfte damit vorerst verbleiben.
Christian Lenk