EZB: Flexibilität bleibt Trumpf

Die letzte EZB-Ratssitzung in diesem Jahr verspricht nochmal spannend zu werden. So beraten die Notenbank-Oberen unter anderem über den Fortgang des Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP). In den zurückliegenden Tagen haben sich einzelne Währungshüter bereits dafür ausgesprochen, die Nettoneukäufe im März 2022 planmäßig zu beenden. Angesichts der derzeit rollenden vierten Corona-Welle und der bestehenden Unsicherheit im Zusammenhang mit der Omikron-Variante erachten wir eine solche Festlegung allerdings als verfrüht. Vielmehr favorisieren wir ein flexibleres Vorgehen. Eine allmähliche Verminderung des PEPP-Ankauftempos würde es der Notenbank ermöglichen, die Wertpapierkäufe bei unverändertem Ankaufrahmen noch bis in den Sommer zu strecken. Erwägen die Währungshüter ungeachtet der noch nicht ausgestandenen Pandemie eine Beendigung des PEPP, sollten zumindest die Wertpapierkäufe im Rahmen des Asset Purchase Programme (APP) temporär aufgestockt werden. Damit würde eine überzogene Straffung des geldpolitischen Rahmens vermieden. Hierbei müssen die Notenbank-Oberen aber bedenken, verschiedene Rahmenbedingungen anzupassen (Emissions- / Emittentenlimit / Ankaufbarkeit Griechenland).


Ungeachtet dessen, wie die Kaufprogramme letztlich adjustiert werden, bleibt die EZB weiterhin darum bemüht, günstige Finanzierungsbedingungen sicherzustellen. Eine perspektivisch wieder niedrigere Inflationsrate liefert der Notenbank den hierfür notwendigen Handlungsspielraum. Um grundsätzlich gegen Marktverwerfungen gewappnet zu sein, sollten die EZB-Vertreter es in Erwägung ziehen, ein neues Notfallprogramm (APP 2.0) ins Leben zu rufen. Alleine die Existenz einer solchen Fazilität könnte dazu beitragen, unerwünschte Spreadausweitungen am Rentenmarkt zu vermeiden.


Inflationsschub erweist sich als hartnäckig – Entspannung aber in Sicht

Die Währungshüter gehen weiterhin davon aus, dass der Preisschub wieder nachlässt. Da sich die gesamteuropäische Arbeitslosenquote nach wie vor oberhalb des Vorkrisenniveaus bewegt, sind nach Einschätzung der EZB keine übermäßigen Lohnsteigerungen zu befürchten. Einzig aufgrund der anhaltenden Lieferengpässe könnte der Normalisierungsprozess bei der Inflationsentwicklung etwas länger dauern als ursprünglich angenommen. Dies sollte sich auch in den überarbeiteten Inflationsprojektionen der EZB widerspiegeln. Für das laufende und kommende Jahr dürften diese nach oben korrigiert werden. Auf längere Sicht (2023) sollte die Teuerungsrate aber wieder unter das EZB-Inflationsziel rutschen.

 

-- Christian Reicherter


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