Japans neuer Premierminister erringt bei den Unterhauswahlen die Regierungsmehrheit
Der neue japanische Premierminister Fumio Kishida hat trotz Stimmenverlusten bei den jüngsten Unterhauswahlen sein Ziel erreicht, die Sitzanzahl für seine liberal-demokratische Partei (LDP) über der kritischen Schwelle zur absoluten Mehrheit zu halten. Zusammen mit ihrem Koalitionspartner, der buddhistischen Komeito-Partei, verfügt die neue Regierung damit über eine komfortable Mehrheit, die die Kontrolle über alle wichtigen Regierungsausschüsse ermöglicht. Die „verfassungsgebende“ Zweidrittelmehrheit ist aber verfehlt worden.
Kishida ist mit einer anspruchsvollen, aber in großen Teilen noch recht „nebulösen“ Agenda angetreten. Er will Japans Wirtschaftssystem umbauen im Sinne eines „Kapitalismus japanischer Prägung“, bei dem die Belange der arbeitenden Bevölkerung stärker als bisher berücksichtigt werden sollen. Neben zunächst massiven neuen Corona-Hilfen sollen auch sozialpolitische Programme wie etwa Einkommenszuschüsse an Pflegepersonal und ältere Japaner, die finanzielle Hilfen benötigen, umgesetzt werden. Kishida will die realen Einkommensverhältnisse der Arbeitsbevölkerung erhöhen.
Von daher ist in Japan nun eine lebhafte Diskussion um „Umverteilung“ in Gang gekommen. Diese hat jedoch innerhalb seiner eher konservativen, wirtschaftsnahen LDP durchaus auch Kritiker. Von seinem Vorschlag, etwa die Kapitalertragssteuersätze für die Unternehmen hier zur Gegenfinanzierung anzuheben, ist Kishida bereits wieder ein Stück weit „zurückgerudert“, da dies, wie manche in der Partei befürchten, dem Investitionsklima schadet. Sonstige steuerliche Maßnahmen, etwa in Form einer steileren Progression des Einkommensteuertarifes, sind ebenfalls ein sehr sensibles Thema.
Dagegen öffnen sich gewisse Möglichkeiten, die Wettbewerbsregeln in der Wirtschaft so zu verändern, dass Innovationen noch stärker angeregt werden und der Marktzugang für kleinere Firmen erleichtert wird. Kishida könnte mit wichtigen Strukturreformen eines der größten Versäumnisse der Wirtschaftspolitik der letzten zehn Jahre endlich ausräumen und mit Liberalisierungen, auch am Arbeitsmarkt und im Hinblick auf die Berufschancen von Frauen und nicht zuletzt auch von zugewanderten Ausländern, endlich den ominösen „dritten Pfeil“ der Abenomics abschießen.
-- Dr. Rütger Teuscher