EZB: Lagarde versucht Inflationssorgen zu zerstreuen
Die europäischen Währungshüter haben bei ihrer heutigen Zusammenkunft erwartungsgemäß keine Anpassungen am geldpolitischen Kurs vorgenommen. Vielmehr wurden die bisherigen Beschlüsse bestätigt. So werden die Wertpapierkäufe im Rahmen des PEPP im laufenden und kommenden Quartal mit vermindertem Tempo fortgeführt. Der monatliche Ankaufrahmen (netto) des APP bleibt unverändert bei 20 Mrd. Euro. Des Weiteren wurden keinen Anpassungen an der Forward Guidance für die Entwicklung des Leitzinses vorgenommen. Wir gehen davon aus, dass im Zuge der Dezember-Ratssitzung (16. Dez.) die geldpolitischen Weichen grundlegend adjustiert werden. In diesem Zusammenhang rechnen wir unter anderem mit der Ankündigung eines neuen Kaufprogramms (APP 2.0), um gegen unerwünschte Verwerfungen am Staatsanleihemarkt gewappnet zu sein. Dieses „Feuerlöschprogramm“ sollte aber nur im Notfall zum Einsatz kommen.
Im Rahmen der Pressekonferenz hat sich EZB-Chefin Lagarde zuversichtlich hinsichtlich der Konjunkturaussichten für die Eurozone geäußert. Die oberste Währungshüterin räumte aber ein, dass die Wachstumsdynamik perspektivisch nachlassen dürfte. So könnten die hohen Energiepreise die Ausgabefreude der privaten Haushalte dämpfen. Zudem belasten die anhaltenden Engpässe bei Vorprodukten den Industriesektor. Diese bremsenden Faktoren sollten aber in den kommenden Monaten wieder in den Hintergrund rücken. Insgesamt betrachten die Währungshüter die Risiken für die Konjunkturentwicklung nach wie vor als ausgeglichen. Für die zuletzt unter den Finanzmarktakteuren aufkeimenden Stagflations-Sorgen gibt es nach Einschätzung von EZB-Chefin Lagarde keine Gründe.
Im Hinblick auf die Inflationsentwicklung geht die EZB davon aus, dass der Teuerungsdruck zunächst noch anhalten dürfte. Mit Blick auf das kommende Jahr, sei aber mit einem wieder merklich niedrigeren Preisauftrieb zu rechnen. Die Zinserhöhungsfantasien der Marktakteuren stehen nach Ansicht von Lagarde im Widerspruch zur EZB-Forward Guidance. Die Marktakteure zeigen sich hiervon allerdings nur bedingt beeindruckt. Der 3M-Euribor-Future (September 2022) hat sich zwar von seinem Tagestief gelöst, impliziert aber weiterhin eine moderate Anhebung des EZB-Einlagesatzes. Wir zeigen uns diesbezüglich aber auch weiterhin äußert skeptisch.
Während wir den Inhalt der Pressekonferenz als weiterhin dovish einschätzen (überrascht hat lediglich der deutliche Hinweis auf die Endfälligkeit des PEPP im März 2022), signalisiert die Marktreaktion, dass hier eine andere Interpretation vorherrscht. Der Markt scheint sich vor allem auf die Aussage Lagardes, dass die Inflation länger auf höheren Niveaus verharren wird als zunächst erwartet, zu konzentrieren. Bei kühlerer Interpretation ihrer Aussagen sollte sich jedoch schon bald die Erkenntnis durchsetzen, dass die EZB keineswegs vorhat auf absehbare Zeit von ihrem expanstiven Kurs abzuweichen. Damit einhergehen sollte dann auch eine Korrektur der heutigen Marktreaktion.
Christian Reicherter