Italien: Gratwanderung zwischen Schulden und Wachstum

Wenige Tage nach der offiziellen Deadline am 15. Oktober hat auch Italien der Europäischen Kommission den Budgetentwurf für 2022 vorgelegt. Demnach plant die italienische Regierung mit angepeilten Budgetdefiziten von 9,4% des BIP in diesem und 5,6% im kommenden Jahr eine Fortsetzung ihrer expansiven Fiskalpolitik zur Stärkung der Wirtschaft nach der Corona-Pandemie. Zeitgleich sollen erwartete Steigerungen der realen Wirtschaftsleistung von 6% im aktuellen und 4,7% im nächsten Jahr einen Rückgang der Schuldenstandsquote von 153,5% Ende 2021 auf 149,4% des BIP Ende 2022 ermöglichen. Bis 2030 plant die Regierung, die Schuldenstandsquote auf das Vorkrisenniveau zu senken.

Unseren Berechnungen zufolge dürfte sich dieses Vorhaben als zu optimistisch herausstellen. Schließlich liegen die geplanten Budgetdefizite deutlich über der Neuverschuldung der Vor-Corona-Jahre (Budgetdefizit 2019: 1,6% des BIP) – und selbst damals gelang lediglich eine Stabilisierung der Schuldenstandsquote bei rund 135% und kein deutlicher Abbau.

Allerdings wird ein glaubhafter Plan zur Schuldenreduzierung immer dringlicher, um sowohl die finanzielle Stabilität Italiens als auch ein Rating im Investmentgrade-Bereich längerfristig aufrechterhalten zu können. Aktuell sorgt die ultra-expansive Geldpolitik der EZB dafür, dass die Risikoaufschläge italienischer Staatspapiere gegenüber Bundesanleihen mit etwa 110 Basispunkten bei zehnjährigen Laufzeiten nahe ihrer Allzeittiefstände notieren. Sollte die EZB ihre geldpolitische Unterstützung jedoch früher oder später drosseln, dürfte sich die expansive Fiskalpolitik Italiens schnell als nicht haltbar herausstellen. In einem solchen Fall bräuchte es einen politischen Richtungsschwenk oder weitere EU-Transferzahlungen, um schwerwiegende finanzielle Konsequenzen für Italien abzuwenden. Ob sich für letztere Option ein Konsens unter den E(W)U-Mitgliedsstaaten finden lässt, ist jedoch mehr als fraglich.

 

Sophia Oertmann


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