Vertrauen ist gut, Bitcoin ist besser?
Die weltweit bedeutendste Kryptowährung ist dynamisch in das neue Quartal gestartet. Mit knapp 58.000 USD bewegte sich der Bitcoin-Kurs zuletzt nicht nur auf dem höchsten Stand seit Mitte Mai. Zugleich ist das Allzeithoch vom April dieses Jahres bei rund 65.000 USD – zumindest für Bitcoin-Verhältnisse – nicht mehr allzu weit entfernt. Dabei dominierte noch vor wenigen Wochen Skepsis das vorherrschende Bild bei den Kryptowährungen.
Auftrieb erfährt der Bitcoin-Kurs momentan durch Hoffnungen, dass sich Kryptowährungen dauerhaft als eigene Vermögensklasse an den Finanzmärkten etablieren können. Hierzu beigetragen haben Äußerungen von US-Notenbankchef Powell und dem Vorsitzenden der US-Aufsichtsbehörde SEC, Gary Gensler. Beide stellten klar, dass sie dem Beispiel Chinas nicht folgen werden. Ein Verbot sei nicht geplant. Zudem besteht die Aussicht auf eine baldige Genehmigung erster Exchange Traded Funds (ETFs) mit Bitcoin-Bezug in den USA.
Ein weiterer Treiber der aktuellen Kursgewinne dürften die weltweit steigenden Inflationserwartungen sein. Hohe Energiepreise und Lieferengpässe in Kombination mit dem Eindruck, dass einige Notenbanken die vorherrschenden Inflationsrisiken nur unzureichend in ihrer geldpolitischen Ausrichtung berücksichtigen, nagen am Vertrauen in die langfristige (Preis-) Stabilität von Euro, Dollar & Co. Dies erhöht in den Augen zahlreicher Anleger die Attraktivität von Bitcoin. Sie sehen die Kryptowährung als Schutzschild gegen eine übermäßige „Geldentwertung“. Schließlich hat hier keine zentrale Instanz die Möglichkeit, die Geldmenge zu steuern und nach Belieben zu erhöhen.
Einiges spricht dafür, dass sich die Energiepreise und damit auch die Inflationsraten vorerst auf hohem Niveau halten werden. Inwieweit dies genügt, um Bitcoin zusätzlichen Auftrieb zu verleihen, bleibt zwar abzuwarten. Für die Frage, ob Kryptowährungen in den Augen von Investoren auch langfristig eine Alternative zu den traditionellen Währungen sind und sich als Asset-Klasse dauerhaft etablieren, dürfte aber vor allem relevant sein, ob die Zentralbanken mit ihrer Einschätzung recht haben, wonach der Preisdruck mittelfristig wieder spürbar zurückgeht. Sollte dies nicht der Fall sein, stehen die Währungshüter vor der Wahl: entweder werden die geldpolitischen Zügel merklich angezogen oder sie setzen ihre (ohnehin bereits angekratzte) Reputation aufs Spiel. Dem Bitcoin-Kurs würde letztere Variante sicher gelegen kommen.
Sören Hettler