Globale Mindeststeuer auf der Zielgeraden

Eine Einigung über eine globale Unternehmenssteuerreform ist an diesem Wochenende in greifbare Nähe gerückt. 136 der 140 Staaten, die an den Verhandlungen unter dem Dach der Industrieländerorganisation OECD beteiligt waren, haben ihre Zustimmung erklärt. Bereits im Juli war ein Grundgerüst des Konzepts vorgestellt worden. Die Umsetzung der Reform soll bis 2023 erfolgen.

 

Noch einmal zur Erinnerung – das Konzept basiert auf zwei Säulen:

  • Säule eins stellt einen Umverteilungsmechanismus dar, der vor allem auf die großen Digitalkonzerne zielt. Sie sollen ihre Umsätze nicht mehr nur wie bisher in den Ländern versteuern, in denen sie ihren Firmensitz haben („Sitzstaaten“). Auch die Länder, in denen die Erträge erzielt werden („Marktstaaten“), sollen einen Teil des Steueraufkommens erhalten.

  • Säule zwei sieht eine weltweite Untergrenze für die Körperschaftssteuer von 15% vor, die „Mindeststeuer“. Sie soll letztlich steuerliche Mehreinnahmen generieren. Unternehmen, deren Tochterfirmen im Ausland weniger als den Mindestsatz zahlen, müssen im Heimatland künftig einen Steueraufschlag in Höhe der Differenz leisten („Hinzurechnungssteuer“).

Die OECD betont, dass es sich bei der Mindeststeuer nicht um die Abschaffung des internationalen Steuerwettbewerbs handelt, ihm aber gleichwohl ein Boden eingezogen wird. Wie wichtig eine solide Steuerbasis ist, hat sich insbesondere während der Pandemie gezeigt, die weltweit enorme Löcher in die Staatshaushalte gerissen hat, die nun wieder gestopft werden müssen. Dadurch hat sich aktuell eine historische Chance ergeben, die globale Steuerarchitektur jetzt neu und fairer zu strukturieren. Das Ende des jahrzehntelangen Steuersenkungswettlaufs dürfte damit allerdings besiegelt sein.

Verlierer der Reform sind zweifellos die zumeist sehr kleinen „Steueroasen“, die sich mit der Mindeststeuer eines wesentlichen Standortvorteils beraubt sehen. Auch die Niedrigsteuerländer der EU, Irland und Ungarn, haben dem Konzept erst in letzter Minute zugestimmt. Für Irland, das mit einem Steuersatz von 12,5% jahrzehntelang internationale Großkonzerne ins Land gelockt hat, war es besonders wichtig, die Mindeststeuer auf 15% zu begrenzen. Allerdings besteht in Irland, wie auch in vielen anderen Ländern, ein wesentlicher Steuervorteil darin, die effektive Steuerlast etwa durch die Abzugsfähigkeit von Ausgaben für Forschung und Entwicklung zu reduzieren. Hier aber bleibt das Abkommen vage und Irland hat sich bereits zusichern lassen, diese Praxis beibehalten zu dürfen.

Wesentliche Kritik entzündet sich daher nicht ganz zu Unrecht an den diversen Schlupflöchern und Ausnahmen der Reform. Sie kommt insbesondere von Seiten der Entwicklungsländer – beispielsweise, dass internationale Rohstoffkonzerne von der Umverteilungsregel von vornherein ausgeklammert sind. Nigeria, Kenia, Pakistan und Sri Lanka werden dem Abkommen daher nicht beitreten. Dies wirft ein Schlaglicht darauf, dass letztlich die großen Industriestaaten die Gewinner der Reform sein werden: Für US-Unternehmen ist nicht nur die einseitige Digitalsteuer vom Tisch. Mit der Mindeststeuer schrumpft der Abstand der Steuersätze in den USA und in Europa zu denen in den bisherigen Steueroasen beträchtlich. Damit ergibt sich sogar ein gewisser Spielraum für höhere Unternehmenssteuern, die in Großbritannien und in den USA längst auf der Agenda stehen.

 

-- Monika Boven


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