Powell behält die Ruhe
Wie zu befürchten war, hat die lang erwartete Rede von Jerome Powell anlässlich des jährlichen Zentralbankensymposiums in Jackson Hole dem Markt wenig neue Impulse geliefert. Zwar hatten die Falken im geldpolitischen Rat in den Stunden vor Powells Rede ordentlich die Werbetrommel für eine schnellere Rückführung expansiver Maßnahmen gerührt, der Vorsitzende der Fed ließ sich hiervon jedoch nicht aus der Ruhe bringen und blieb seiner tendenziell eher dovischen Linie treu. Aber auch Powell kommt nicht umhin, der starken Preisdynamik in den USA und der soliden wirtschaftlichen Erholung Rechnung zu tragen. Der Startschuss für eine Reduktion der Anleihekäufe (Tapering), so Powell, könnte demnach bereits in diesem Jahr fallen. Gleichzeitig ließ seine Rede aber auch wenig Zweifel daran, dass die Fed auch weiterhin sehr vorsichtig agieren wird. Und die aktuellen Unsicherheiten (Corona und die damit verbundenen wirtschaftlichen Risiken) sprechen sicherlich dafür, dass die Fed die Ruhe bewahrt und sich nur langsam aus ihren expansiven Maßnahmen verabschiedet. Einen Anlass stärker als absolut notwendig auf die geldpolitische Bremse zu treten gibt es eindeutig nicht – zumal Powell seine Rede nutzte, um erneut das mittlerweile altbekannte Mantra einer nur temporär erhöhten Inflation zu wiederholen.
Unsere Erwartung, dass die Fed ihre Anleihekäufe Anfang 2022 reduziert und dies dann in einem sehr gemäßigten Tempo (Staatsanleihen 10 Mrd. USD pro Monat, MBS 5 Mrd. USD pro Monat) tut, hat sich mit der heutigen Rede von Powell erneut gefestigt. Und folgt die Fed diesem Plan, wird die Ausweitung ihrer Bilanzsumme erst im Spätsommer 2022 zum Stillstand kommen. Eine schnelle Zinserhöhung direkt im Nachgang erachten wir jedoch als unwahrscheinlich. Auch beim letzten Mal hat sich die Fed viel Zeit genommen, die Auswirkungen ihres Tapering-Prozesses abzuwarten, bevor sie den Leitzins anhob. Analog dazu dürfte sie sich mit einer ersten Leitzinserhöhung bis 2023 Zeit lassen.
Da die Rede des Fed-Vorsitzenden keine grundlegenden neuen Impulse liefern konnte, erstaunt es nicht, dass auch die Marktreaktion verhalten ausfiel. Ein kurzes Zucken am Aktienmarkt und eine ebenso kurze Nervosität am US-Staatsanleihenmarkt – viel mehr war es nicht. Etwas eindeutiger fiel die Reaktion des Dollars aus, der die Erkenntnis, dass die Fed keine Eile hat, mit Enttäuschung aufnahm und etwas schwächer tendierte.
-- Sonja Marten