Brasilien: Umweltpolitik mit Weitblick?
Vor der Pandemie machte Brasilien vor allem wegen der starken Rodung des tropischen Regenwaldes Schlagzeilen. Allein in den Jahren 2019 und 2020 wurden insgesamt Flächen des tropischen Regenwaldes vernichtet, die der Größe des Bundeslandes Hessen entsprechen. Trotz der zuletzt wieder erhöhten Abholzung fällt für die größte südamerikanische Volkswirtschaft die Klimabilanz eher positiv aus. Im internationalen Vergleich ragt der Anteil von erneuerbarer Energie bei der Energieerzeugung sichtbar heraus, ermöglicht wird dies durch einen sehr hohen Anteil von Wasserkraft. Gleichzeitig sind die Treibhausgasemissionen vergleichsweise niedrig und seit 2010 quasi stabil. Derzeit gefährdet allerdings eine schwere Dürre die Stromerzeugung und erhöht die Kosten.
Schub erhielt das Wirtschaftswachstum in den letzten Jahren vor allem von der Landwirtschaft und der Ölindustrie. Beides sind Branchen, die generell als klimaschädlich eingestuft werden. Allerdings sind Öl- und Agrarprodukte „die“ Exportschlager Brasiliens: Während erstere fast 22% der Ausfuhren abdecken, liefern die landwirtschaftlichen Produkte sogar einen Beitrag von rund 34%.
Präsident Bolsonaro hat sich mehrfach öffentlich zum Pariser Klimaabkommen bekannt, aber Umweltpolitik mit Weitblick ist wohl doch nur ein Lippenbekenntnis. Dafür spricht auch ein unmittelbar vor der endgültigen Verabschiedung stehendes Gesetz zur Landnahme. Darüber hinaus fordert die OECD auch in ihrem jüngsten Bericht, dass die Anstrengungen zur Reduzierung der CO2-Emissionen verstärkt werden. Zudem ist wegen Mittelkürzungen bei den Kontrollbehörden zu bezweifeln, dass die Regierung die Zielerreichung ernsthaft an-strebt. Der neuen US-Regierung wurde zwar jüngst ein Kurswechsel bei der Klimapolitik versprochen. Letztlich geschah dies aber wohl nur, um den Zufluss von Investitionen aus den USA sicherzustellen. Ebenfalls gegen eine Kursänderung Brasiliens bei der Umweltpolitik sprechen die wirtschaftlichen Belastungen durch die Corona-Krise und die im Herbst 2022 anstehende Präsidentschaftswahl.
-- Dr. Christine Schäfer