Deutschland drohen steigende Haftungsrisiken
Deutschland hat zur Bekämpfung der wirtschaftlichen Folgen der Corona-Pandemie bislang bereits enorme fiskalische Anstrengungen unternommen. Die nationale Schuldenstandsquote wird in diesem Jahr krisenbedingt gegenüber 2019 um rund 15 Prozentpunkte auf voraussichtlich 75% steigen. Im Vergleich zu den Nachwehen der Finanzkrise ist die fiskalische Entwicklung aber weniger dramatisch, als es auf den ersten Blick scheint. Da Deutschland außerdem von den im Vergleich zu früheren Jahren deutlich günstigeren Refinanzierungsbedingungen profitiert, dürfte die nationale Schuldenstandstandsquote in den kommenden Jahren wieder merklich sinken, sofern die Regierung sukzessive zu einer neutralen Fiskalpolitik zurückkehrt.
Die nationale Schuldenstandsquote schließt aber Deutschlands Haftungsverpflichtungen für die EU-Corona-Hilfen nicht ein. Diese werden vor dem Hintergrund der anleihefinanzierten EU-Hilfsmaßnahmen wie NGEU und SURE in den kommenden Jahren deutlich zunehmen. Verteilt man die EU-Verbindlichkeiten auf Basis der Anteile der Mitgliedsstaaten an der EU-Wirtschaftsleistung, fällt nach unseren Berechnungen Deutschlands implizite Schuldenstandsquote einschließlich der Haftungsrisiken im Jahr 2028 gegenüber der offiziellen nationalen Schuldenstandsquote von dann 63% mit 67% um rund vier Prozentpunkte höher aus. Ginge man aufgrund der gesamtschuldnerischen Haftung für die EU-Schulden davon aus, dass nur die EU-Staaten mit einer AAA-Ratingnote für die Schulden einstehen, wäre die implizite Schuldenstandsquote im Vergleich zur Maastricht-Verschuldung sogar rund zwölf Prozentpunkte höher.
Sofern die EU-Verbindlichkeiten nicht über das vereinbarte Maß hinaus ansteigen, dürften die EU-Coronahilfen voraussichtlich aber keinen Einfluss auf Deutschlands Top-Bonitätsnote nehmen. Anders sind jedoch die auch im Bundestagswahlkampf diskutierten Modelle dauerhafter EU-Transferzahlungen zugunsten der Peripheriestaaten zu beurteilen, wenn sie in Teilen schuldenfinanziert wären. Selbst bei einer disziplinierten Haushaltsführung in Berlin droht Deutschlands implizite Schuldenstandsquote längerfristig hoch zu bleiben. Stiegen dann auch noch die Refinanzierungskosten (beispielsweise weil die EZB einen geldpolitischen Richtungsschwenk vollzieht) oder hätten die Ratingagenturen Zweifel, dass jedes EU-Land tatsächlich auch für die EU-Schulden gemäß seinem BIP-Anteil einsteht, wäre selbst Deutschlands AAA-Rating nicht mehr in Stein gemeißelt.
-- Sebastian Fellechner und Daniel Lenz