Eine dauerhafte EU-Fiskalkapazität? Ein riskanter Vorschlag zu einem fragwürdigen Zeitpunkt
Vier Finanz- und Europapolitiker der Grünen werben in ihrem Thesenpapier „Für einen starken Euro als globale Währung“ u.a. für die Idee einer dauerhaften EU-Fiskalkapazität im Volumen von 1% der jährlichen europäischen Wirtschaftsleistung. Eine solche Fiskalkapazität soll an den befristeten EU-Wiederaufbaufonds (NGEU) anknüpfen, um Solidarität zu üben und Zukunft zu gestalten. Zur Finanzierung schlagen die Autoren sowohl die Erhebung von EU-Steuern als auch eine Kreditfinanzierung über die Ausgabe von EU-Bonds vor.
Eine solche EU-Fiskalkapazität könnte sich als riskanter Vorschlag zu einem fragwürdigen Zeitpunkt herausstellen. Denn das Konzept der Autoren knüpft an NGEU an, obwohl der Fonds noch nicht einmal an den Start gegangen ist. Angesichts der Erfahrungen, dass EU-Gelder nicht immer effizient verwendet werden und der Sorge, dass mit den Zahlungen negative Reform- und Sparanreize einhergehen, wäre sicherlich geboten, erste Erfahrungen mit dem etwa 810 Mrd. Euro großen Fonds abzuwarten, bevor man eine Debatte über Nachfolgemodelle anstößt. Sorgt NGEU im besten Fall für mehr Wachstum und ökonomische Konvergenz, ohne dass sich die Moral-Hazard-Befürchtungen bewahrheiten, sollten die Staaten den EU-Bürgern reinen Wein einschenken: Ein dauerhafter Transfermechanismus ist nicht kostenlos und die Idee einer teilweisen Kreditfinanzierung birgt hohe Risiken. Die EU würde zunehmend Schulden aufbauen, die zwar in keiner nationalen Statistik der Schuldenstandsquoten auftauchen, für die die Staaten aber gleichwohl gesamtschuldnerisch haften. Dies bedeutet wiederum, dass Deutschland und andere Mitgliedsstaaten mit sehr guter Bonität in letzter Konsequenz das Risiko der gesamten EU-Schulden voll zu tragen hätten.
Im Bewusstsein dessen stellt sich die Frage, ob das Konzept der EU-Fiskalkapazität nicht das Ansinnen der Autoren konterkariert, den Euro zu einer globalen Leitwährung auszubauen. Um den Euro zu einer weltweit führenden Währung auszubauen, reicht nicht allein der politische Wille, vor allem das Vertrauen der Anleger in die Gemeinschaftswährung ist vonnöten. Hierzu bedarf es sowohl der ökonomischen Stärke des Währungsraums als auch des Vertrauens in seine Schuldentragfähigkeit. Steigende Haftungsrisiken stärken dieses Vertrauen nicht. Im Gegenteil. Der vorliegende Vorschlag birgt das Risiko, dass das internationale Vertrauen in den Euroraum eher abnimmt denn steigt.
Daniel Lenz