Rohstoffe: Neuer Superzyklus?

Rohstoffe haben den Corona-Schock abgehakt. Das hätten viele Marktteilnehmer so noch vor einem Jahr nicht erwartet. Von Rohöl (+33%) über Kupfer (+33%) bis hin zu Mais (+32%) sind die meisten Rohstoffe seit Jahresbeginn deutlich im Plus. In den Finanzmedien wird in diesen Wochen daher gerne der Begriff Superzyklus verwendet. Einige Marktteilnehmer rufen bereits einen neuen breiten Superzyklus aus.

 

Sicherlich ist die Rohstoffpreisentwicklung in den letzten 12 Monaten bemerkenswert gewesen, allerdings notiert der Gesamtmarkt gemessen am Rohstoffindex BCOM noch weit unter seinen Höchstständen. Als die Corona-Pandemie im letzten Jahr die Weltwirtschaft im Klammergriff hatte, ist der BCOM sehr stark abgerutscht. Da sich besonders China konjunkturell sehr zügig erholte und massiv seine Rohstoffimporte steigerte, stabilisierte sich auch die Rohstoffnachfrage wieder. Die coronabedingte Nachfragedelle wurde rapide ausgemerzt und die Preise sind folglich gestiegen, allerdings erfüllt diese Aufwärtsbewegung nicht die Bedingungen, die an einen breiten Superzyklus geknüpft sind, wie beispielsweise eine dauerhafte Niveauverschiebung der Nachfrage und eine unterinvestierte Angebotsseite.

 

Ein Blick in die unterschiedlichen Rohstoffsektoren zeigt aber ein differenzierteres Bild. Laufende Megatrends wie Digitalisierung, Energiewende und E-Mobilität führen bei Industriemetallen, besonders bei Kupfer, zu deutlichen Nachfrageerhöhungen in der nächsten Dekade. Gleichzeitig ist die Angebotsseite darauf nicht vorbereitet, weil Minengesellschaften ihre Investitionen in den letzten Jahren erheblich reduzierten. Damit drohen preistreibende Flaschenhälse auf der Angebotsseite und Nachfrageüberhänge. Wir halten es für wahrscheinlich, dass hier ein neuer Superzyklus entstehen kann. So hat Kupfer zuletzt sein Allzeithoch geknackt. Dies ist noch nicht das Ende der preislichen Fahnenstange, aber kurzfristig rechnen wir mit einem leichten „verschnaufen“ des Kupferpreises. Im Gegensatz zu Kupfer, werten wir Rohöl nicht als superzyklisch ein, weil a) ausreichend Puffer auf der Angebotsseite existiert und b) sich der langfristige Nachfragetrend durch die Energiewende in den nächsten Jahrzehnten abschwächt. Die Agrarrohstoffe verfügen zwar langfristig über gute Nachfrageperspektiven, allerdings sind die Agrarpreise aktuell spekulativ überzeichnet und die Knappheitsgrade dürften in 2021/22 wieder etwas fallen. Der Mais- und Weizenpreis ist zuletzt daher auch wieder stärker gefallen.

 

— Gabor Vogel

 

 


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