Britische Wirtschaft nach moderatem Rückgang in Q1 vor kräftigem Aufschwung

Es hätte wahrlich schlimmer kommen können: Trotz knallhartem Lockdown und „Brexit-Schock“ gleich nach dem Jahreswechsel ist die britische Wirtschaftsleistung im ersten Quartal dieses Jahres „nur“ um 1,5% geschrumpft – sogar etwas weniger als das deutsche BIP im selben Zeitraum. Immerhin hatten sich die britischen Exporte in die EU im Januar noch fast halbiert, während die Corona-Infektionszahlen zu den höchsten in Europa gehörten.

 

Mit ihrer erfolgreichen Impfkampagne verbunden mit einem klaren Stufenöffnungsplan hatte die britische Regierung aber einen entscheidenden Trumpf im Ärmel. Sie stärkte so die Kaufbereitschaft der Verbraucher und sorgte dafür, dass viele Unternehmen schon früh hohe, an den Öffnungsschritten orientierte Auftragseingänge erhielten. Schon im März, noch bevor Geschäfte und Außengastronomie in den Normalbetrieb zurückkehrten, verbuchten die Einzelhändler ein sattes Umsatzplus. Die Stimmung in den Dienstleistungsunternehmen ist so gut wie nirgends sonst in Europa.

 

Aber auch die Wirtschaftspolitik hat einen wichtigen Beitrag geleistet. Das an die deutsche Kurzarbeit angelehnte „furlough scheme“ – ein Novum für Großbritannien – hat einen drastischen Anstieg der Arbeitslosigkeit, wie er in früheren Rezessionen üblich war, im vergangenen Jahr verhindert. Die Arbeitslosenquote dürfte ihren Höchststand bereits hinter sich gelassen haben. Der private Konsum wird dadurch zusätzlich gestärkt.

 

Inzwischen ist mehr als die Hälfte der Bevölkerung wenigstens einmal geimpft und das Infektionsgeschehen ist stark eingedämmt. Ab dem 17. Mai darf die Gastronomie auch ihre Innenräume öffnen, Inlandsreisen sind wieder möglich. Die britische Wirtschaft steht vor einer kräftigen Erholung ab dem laufenden Quartal. Die Verluste im Handel mit der EU sind zwar noch nicht ganz wieder aufgeholt, worunter auch das Industrieklima leidet. Doch der starke Öffnungseffekt überlagert die Brexit-Schwächen gerade vollständig.

 

Wir haben unsere Wachstumsprognose von 4,5 auf 5% für dieses Jahr angehoben. Es wäre der kräftigste Anstieg seit fast einem Vierteljahrhundert. Allerdings hat die britische Wirtschaft auch viel aufzuholen, immerhin war die Rezession im vergangenen Jahr eine der tiefsten in ganz Europa. Noch immer klafft eine Lücke von fast 9% zum Vorkrisenniveau, das Großbritannien wohl erst im kommenden Jahr wieder erreichen wird und damit wahrscheinlich um einiges später als Deutschland.

 

— Monika Boven

   


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