Süßes Gift PEPP

Die Staatsverschuldung erreicht in vielen EWU-Staaten, vor allem auch in Italien, neue Rekordstände. Angesichts der ausufernden Schuldenstände wären normalerweise alle Voraussetzungen für eine Marktkrise bei Staatsanleihen des Peripheriesegments gegeben, wie sie bereits im Nachgang der Finanzkrise auftrat. Dass dies verhindert werden konnte, lag in erster Linie am größten Anleiheankaufprogramm der EZB seit Gründung der Währungsunion – dem Pandemic Emergency Purchase Programme (PEPP). Aus der Sicht der Staaten ist die Hilfe der Notenbanken aber ein zweischneidiges Schwert – eine Art süßes Gift. Zwar wären fiskalische Maßnahmen im beschriebenen Umfang ohne das Zutun der EZB nicht möglich und / oder das Risiko einer weiteren Staatenfinanzkrise groß gewesen, die Gefahr einer dauerhaften Abhängigkeit vor allem Italiens von der Geldpolitik ist jedoch bereits greifbar.

 

Unsere Modellberechnungen zeigen: Reduziert Italien ab 2023 sein Primärdefizit auf 1% des BIP und liegt das Nominalwachstum fortan auf Vorkrisenniveau, müssten die italienischen Risikoaufschläge dauerhaft auf dem jetzt sehr niedrigen Niveau bleiben, um die Schuldenstandsquote bis 2027 zumindest bei etwa 157% zu stabilisieren. Sollte die EZB aber ihre Ankäufe im kommenden Jahr sukzessive reduzieren, ohne dass Italien zu einer neutralen Fiskalpolitik zurückkehrt, droht eine spürbare Nachfragelücke bei BTPs, die private Anleger schließen müssten. Fordern diese eine risikoadäquate Verzinsung ihrer Anlage, wäre aber mit deutlichen Spreadausweitungen zu rechnen. Steigt der siebenjährige Risikoaufschlag gegenüber Bunds annahmegemäß bis auf 250 Bp. (Krisenhoch), droht Italiens Schuldenstandsquote bei sonst gleichen Annahmen bis 2027 auf 169% zu steigen. Eine so hohe Schuldenstandsquote in Verbindung mit deutlich steigenden Zinsaufwendungen birgt auch Gefahren für Italiens weitere Zugehörigkeit zur Gruppe der Investment-Grade-Länder.

 

Italienische Politiker setzen auf eine EU-Fiskalunion als Langfristlösung für das Dilemma, allerdings würde ein süßes Gift lediglich durch ein neues ersetzt werden. Unklar ist außerdem, ob die Idee einer EU-Fiskalunion überhaupt durchsetzbar wäre. Es ist vor allem mit großem Widerstand von Seiten der dem Kreise der „Frugalisten“ zugehörigen Länder wie den Niederlanden zu rechnen. Daher erwarten wir kein abruptes Ende von PEPP und eine Fortsetzung des Kaufprogramms PSPP. Wichtig dürfte auch sein, dass die EZB im Fall größerer Spreadausweitungen die Anleihekäufe wieder ausdehnt, bis eine EU-Langzeitstrategie steht, die vor allem auf wirtschafts- und fiskalpolitische Reformen zielen sollte, um der wachsenden ökonomischen Divergenz innerhalb des Währungsraums effektiv zu begegnen.

— Sebastian Fellechner, Daniel Lenz


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