Grüne Geldpolitik: EZB zwischen gebotenem Engagement und drohender Überforderung

Der Klimawandel stellt eine erhebliche Bedrohung für die Wirtschaft und die Menschheit im Allgemeinen dar. Im Zuge einer Überprüfung der geldpolitischen Strategie beraten die europäischen Notenbankvertreter gegenwärtig, wie sich die EZB im Rahmen ihres Mandats im Kampf gegen den Klimawandel stärker engagieren kann. Marktseitig gibt es bereits erste Stimmen, welche die Bestrebungen der Notenbank in Richtung einer grüneren Geldpolitik kritisieren. Hierbei steht unter anderem die Frage im Raum, inwieweit dieses Engagement vom eigentlichen EZB-Mandat zur „Wahrung der Preisstabilität“ gedeckt ist. Die Notenbank-Oberen verweisen in diesem Zusammenhang darauf, dass Klimaveränderungen sich unmittelbar auf die Inflationsentwicklung auswirken können. Naturkatastrophen in Folge einer Erwärmung der Atmosphäre könnten zu Missernten führen und steigende Nahrungsmittelpreise nach sich ziehen oder extreme Wetterereignisse Vermögensschäden hervorrufen und sich Verbraucher daher mit ihrem Konsum zurückhalten. Vor diesem Hintergrund könnte es geboten erscheinen, dass die Notenbank die mit dem Klimawandel einhergehenden Risiken für die Preisstabilität genau im Blick behält und in ihren Prognosemodellen verstärkt berücksichtigt. Eine Verpflichtung der EZB, sich vermehrt in den Kampf gegen den Klimawandel einzubringen, lässt sich zudem aus dem Vertrag über die Arbeitsweise der Europäischen Union (AEUV) ableiten. So sieht Artikel 127 (1) vor, dass die Notenbank, soweit dies ohne Beeinträchtigung des Zieles der Preisstabilität möglich ist, die allgemeine Wirtschaftspolitik der Europäischen Union unterstützt. Nach Einschätzung von EZB-Vertreter Elderson ergibt sich hieraus eine Verpflichtung für die Notenbank, einen Beitrag zur Erreichung der EU-Klimaneutralität bis 2050 zu leisten.

 

Die Notenbank als Katalysator, um Klimarisiken transparent zu machen

 

Die Notenbank sieht sich in ihrer Rolle als Bankenaufseherin unter anderem in der Verantwortung, das Bewusstsein des Bankensektors gegenüber Klimarisiken zu schärfen. In diesem Zusammenhang hat die EZB bereits einen gesamtwirtschaftlichen Stresstest entwickelt. Dieser soll die Banken dabei unterstützen, die Auswirkungen des Klimawandels besser zu bewerten und die damit einhergehenden Risiken transparent zu machen. Doch nicht nur die Geschäftsbanken, sondern auch die EZB selbst ist Klimarisiken ausgesetzt. Die Notenbank ist hierbei ebenfalls bestrebt, diese zukünftig transparenter auszuweisen. Einen ersten Schritt in diese Richtung hat die EZB bereits mit Blick auf ihre nicht-geldpolitischen Portfolios unternommen, in welchen u.a. die Mittel für die betriebliche Altersversorgung der Beschäftigten verwaltet werden. Binnen der nächsten zwei Jahre soll hier die klimabezogene Berichterstattung verbessert werden. Vorbild könnte diesbezüglich die Banque de France sein, welche ihre Portfolios im Hinblick auf transitorische und physische Klimarisiken analysiert und diese Ergebnisse in einem jährlichen Bericht veröffentlicht. Die Transparenzinitiative der EZB erscheint uns durchaus geeignet, die Finanzmärkte für Klimarisiken zu sensibilisieren. Die Notenbank könnte damit als Katalysator für ein grüneres Finanzsystem fungieren und so indirekt die EU-Klimapolitik unterstützen.

 

Es gibt unter anderem aber auch Überlegungen, die Bewertungsabschläge für konventionelle Anleihen bei den Tenderoperationen gegenüber grünen Wertpapieren merklich zu erhöhen. Damit würden die Notenbank-Oberen zum einen den in der EZB-Bilanz schlummernden Klimarisiken Rechnung tragen und zum anderen indirekt den Markt für Green Bonds fördern. Problematisch ist in diesem Zusammenhang allerdings, dass es gegenwärtig zahlreiche verschiedene Standards gibt, welche zur Einstufung einer Anleihe als „grün“ herangezogen werden. Um eine Vergleichbarkeit zwischen den verschiedenen Wertpapieremissionen herzustellen, wäre ein einheitliches Regelwerk wünschenswert. Um Interessenkonflikte zu vermeiden, dürfte es die EZB daher sicherlich begrüßen, wenn die Ratingagenturen als neutrale Stelle in diesem Bereich verstärkt aktiv würden. Dies sollte auch dazu beitragen, dass Klimarisiken in den Kursen am Kapitalmarkt adäquat abgebildet werden.

 

Zielkonflikt: Geldpolitische Instrumente im Kampf gegen den Klimawandel

 

Innerhalb der EZB gibt es aber nicht nur die Überlegung, durch verstärkte Transparenz die Marktakteure für Klimarisiken zu sensibilisieren, sondern auch die Forderung den geldpolitischen Instrumentenkasten im Kampf gegen den Klimawandel aktiv einzusetzen. Im Fokus stehen hierbei die Wertpapierkäufe im Rahmen der verschiedenen QE-Programme. Vorstellbar wäre hierbei, dass die EZB bei ihren Anleihekäufen zukünftig grünen Emissionen gegenüber konventionellen Wertpapieren den Vorzug gibt. Damit würden die Währungshüter allerdings ihr bisheriges Prinzip der Marktneutralität über Bord werfen. In einer Anhörung vor dem europäischen Parlament hat sich EZB-Chefin Lagarde diesbezüglich nicht gänzlich abgeneigt gezeigt. Notenbankvertreterin Schnabel geht sogar so weit, dass Wertpapiere, welche nicht im Einklang mit dem EU-Ziel der Klimaneutralität stehen, aus den Kaufprogrammen prinzipiell ausgeschlossen werden könnten, was gerade bei Staatsanleihen, die den weitaus größten Teil der Anleihekäufe ausmachen, nicht ganz einfach umzusetzen wäre. Bundesbankchef Weidmann hat in diesem Zusammenhang vor möglichen Interessenkonflikten gewarnt. So gibt er zu bedenken, dass die Kaufprogramme in erster Linie ein Teil der Geldpolitik sind. Würde die Notenbank die Wertpapierläufe aufgrund steigender Inflationsraten vermindern, würde bei einer Bevorzugung von grünen Wertpapieren zugleich auch die Unterstützung für den Umbau der Wirtschaft reduziert.

 

Marktseitig wurde unter anderem auch über die Idee sogenannter grüner TLTROs debattiert. Banken, welche vermehrt Kredite zur Förderung grüner Investitionen vergeben, könnten durch diese Tender mit einer günstigen Refinanzierung belohnt werden. Doch auch hier droht ein Zielkonflikt der Notenbank. So würde auch hier eine Verminderung des geldpolitischen Stimulus negativ auf die „grüne“ Kreditvergabe der Banken ausstrahlen.

 

EZB als Klimaretter – Glaubwürdigkeit der Notenbank steht auf dem Spiel

 

Zusammenfassend sind unserer Einschätzung nach alle Bemühungen der Notenbank zu begrüßen, welche die Transparenz von Klimarisiken am Kapitalmarkt fördert (Stresstest / Berichterstattung / Collateral). Kritischer betrachten wir die Überlegungen, das geldpolitische Instrumentarium aktiv im Kampf gegen den Klimawandel einzusetzen. Hierdurch droht die EZB sich in einen Zielkonflikt zu begeben und ihre geldpolitische Glaubwürdigkeit womöglich zu beschädigen.

— Christian Reicherter


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