Immobilienmarkt: Bundesverfassungsgericht erklärt Berliner Mietendeckel für null und nichtig
Die hohe Ersparnis der privaten Haushalte während der Corona-Krise können viele Berliner Mieter jetzt gut gebrauchen. Nach dem Inkrafttreten des Mietendeckels Anfang 2020 wurde in vielen Mietverträgen neben der reduzierten Miete auch die eigentliche Marktmiete vereinbart – für den Fall, dass der Mietendeckel vom Bundesverfassungsgericht gekippt wird. Genau das ist nun passiert. Der Zweite Senat hat das „Gesetz zur Mietenbegrenzung im Wohnungswesen in Berlin“ als unvereinbar mit dem Grundsetz und damit für nichtig erklärt. Somit muss die Mietdifferenz rückwirkend nachgezahlt werden.
Damit gelten am Berliner Wohnungsmarkt wieder die allgemeinverbindlichen Regeln des Mietrechts. Darauf fußt die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts als Folge der konkurrierenden Gesetzgebungszuständigkeit. Das Mietpreisrecht – wie auch die Mietpreisbremse zum Schutz vor überhöhten Mieten – ist in Bundesgesetzen, insbesondere in §§ 556 bis 561 BGB, abschließend geregelt, sodass für eine weiterführende Gesetzgebungsbefugnis der Länder kein Spielraum besteht.
Die Berliner profitieren zwar nicht mehr von gesenkten Mieten, ein Schaden ist aber nicht entstanden. Nun muss wie überall die ortsübliche Miete gezahlt werden, die in der Hauptstadt meist relativ niedrig ausfällt. Die Durchschnittsmiete für Wiedervermietungen liegt mit unter 11 Euro je Quadratmeter zum Teil deutlich unterhalb der Miete in anderen Metropolen. Gefragte Wohnlagen sind natürlich deutlich teurer. Dort wohnen oft die Profiteure des Mietendeckels. Gut situierte Mieter aufwendig sanierter Gründerzeitwohnungen konnten aufgrund der Baujahr-Staffelung des Mietendeckels erheblich sparen. Sozial schwächere Mieter in Wohnblocks aus den 1960er und 70er Jahren hatten dagegen kaum Vorteile, der Mietendeckel führte hier nur zu geringen Mietminderungen. Wohnungssuchende litten unter dem vom Mietendeckel verursachten reduzierten Wohnungsangebot.
Aufatmen können dagegen die Berliner Vermieter. Neben der Deckelung der Mieten wurde in der im November 2020 in Kraft getretenen zweiten Stufe auch in bestehende Verträge eingegriffen, sodass auch Mieten aus vor der Einführung des Mietendeckels im Februar abgeschlossenen Mietverträgen gesenkt werden mussten. Die reduzierten Mieteinnahmen belasteten aber nicht nur die Immobilienwerte, die ein Vielfaches des Mietcashflows darstellen. Sie verkleinerten zudem den Spielraum der Wohnungsgesellschaften für Neubauvorhaben und Sanierungen. Letztere wurden außerdem durch die auf einen Euro je Quadratmeter begrenzte Sanierungsumlage erschwert. Auf Dauer hätte durch ausbleibende Modernisierungsmaßnahmen die Qualität des Wohnungsbestands gelitten. Zudem haben sozial orientierte Vermieter wie etwa Wohnungsgenossenschaften erheblich unter dem Mietendeckel gelitten. Diese kalkulieren ohnehin mit niedrigen Mieten und sind somit auf moderate Mieterhöhungen angewiesen.
Aus Sicht des Immobilienmarktes ist die Entscheidung zu begrüßen. Übermäßige Markteingriffe wie der Mietendeckel verzerren den Markt. Das in Berlin geschrumpfte Wohnungsangebot und ausbleibende Sanierungen haben die negativen Folgen schnell sichtbar werden lassen. Perspektivisch hätte auch der Neubau leiden können. Zudem kann der Mietendeckel nun nicht wie befürchtet in anderen Städten Schule machen. Das Thema Wohnungsmarktregulierung ist aber nicht vom Tisch. Der angespannte Wohnungsmarkt und hohe Mieten werden bei der Bundestagswahl im Herbst wohl ein zentrales Thema darstellen. Bei allen aus heutiger Sicht infrage kommenden Regierungskonstellationen ist ein Ausbau der Marktregulierung wahrscheinlich.
— Thorsten Lange
