Italien: Conte wackelt, aber fällt (noch) nicht
Ministerpräsident Conte hat die Vertrauensabstimmung im Senat gewonnen. 156 Senatoren sprachen ihm das Vertrauen aus, 140 stimmten gegen ihn. Damit hat Conte einen Achtungserfolg erzielt, weil mehr Senatoren für ihn stimmten, als die Koalition noch Sitze in der Parlamentskammer hat. Ein Sieg auf ganzer Linie war es dennoch nicht. Die Mehrheit kam nur zustande, weil sich mehrere Abgeordnete enthielten oder der Abstimmung fernblieben. Für eine absolute Mehrheit im Senat hätte Conte hingegen 161 Stimmen benötigt. Im Grunde ist das Ergebnis als Bewährungsprobe zu verstehen. Conte hat nun Zeit erhalten, um neue Bündnispartner zu finden, die die aus der Koalition ausgetretene Partei von Ex-Premier Renzi, Italia Viva, ersetzen. Gelingt es Conte nicht, die Mitte-Rechts-Partei Forza Italia für sich zu gewinnen, die bislang ohnehin eher zu den Rechtspopulisten hält, wird er auf verschiedene Kleinst- und Regionalparteien zugehen müssen. Die Voraussetzungen für ein nachhaltig stabiles Bündnis wären dann kaum gegeben. Unter Umständen könnte die Regierung auch gezwungen sein, mit wechselnden Mehrheiten zu agieren. Italien hat aber keine Tradition in Bezug auf Minderheitsregierungen, wie man sie aus Skandinavien kennt, und auch Staatspräsident Mattarella wünscht sich stabile politische Verhältnisse.
Die Bewährungsproben für Conte werden in den kommenden Wochen kaum abnehmen. Es stehen Entscheidungen zur Bekämpfung der Pandemie, zum Haushalt und dem Wiederaufbaufonds an. Auch die Nachfolge des Staatspräsidenten ist zu regeln und wird durch das Parlament bestimmt. Trotz des gestrigen Ergebnisses bleibt Italien politisch voraussichtlich instabil. Ein vorzeitiges Ende der Regierung ist jederzeit möglich, auch Neuwahlen, vor allem wenn die Pandemie abklingt, bleiben eine realistische Option.
Der Markt hatte bereits im Vorfeld der Abstimmung auf einen Sieg Contes gesetzt. Entsprechend moderat fiel die Reaktion im Nachgang aus. Die Spreadentwicklung wird ohnehin derzeit maßgeblich durch die EZB-Anleihekäufe bestimmt. Nichtdestotrotz bestehen weiterhin auch marktbezogene Risiken, vor allem im Fall von Neuwahlen und einem Sieg der europakritischen Rechtspopulisten.
-- Daniel Lenz