Niederländische Regierung tritt zurück – kein Grund zur Panik
Rund zwei Monate vor der Parlamentswahl am 17. März ist die niederländische Regierungsmannschaft geschlossen zurückgetreten. Der Hintergrund für den überraschenden Rücktritt liegt in einer Affäre um Kinderbeihilfen. Um vermeintlichen Betrug zu bekämpfen, hatten niederländische Steuerbehörden von etwa 2013 bis 2019 von Eltern jeweils Zehntausende Euro Kinderbeilhilfen zurückgefordert. Rund 20.000 Familien gerieten in den Niederlanden so in finanzielle Not. Eine Untersuchungskommission kam im Dezember letztendlich zu dem Urteil, dass diese Praxis Unrecht war und die „Basisprinzipien des Rechtsstaates“ verletzt wurden – ein herber Schlag für die niederländische Politik. Rutte und sein Team übernehmen zwar die politische Verantwortung für das Debakel, insgesamt kann der geschlossene Rücktritt aber eher als symbolischer Akt verstanden werden – kein Grund zur Panik. Sigrid Kaag, Ministerin für Außenhandel, sagte hierzu: „Das Vertrauen in den Staat muss wiederhergestellt werden.“
Der Regierungsrücktritt trifft die Niederlande mitten in der Corona-Krise: Die Neuinfektionszahlen liegen trotz der massiven Beschränkungen für die Bevölkerung immer noch auf sehr hohen Niveaus und der Impfstart verläuft sehr schleppend. Premier Rutte versicherte zwar, dass die Regierung weiter handlungsfähig bleibe, der Zeitpunkt für das Fiasko ist dennoch äußerst ungünstig. Bis zum Wahltermin bleibt der liberal-konservative Politiker nun geschäftsführend im Amt. Ein Lichtblick dürfte für Premier Rutte aber sein, dass die Rücktrittssymbolik voraussichtlich kaum Einfluss auf die Parlamentswahlen hat. In den Umfragen liegt Ruttes Partei, die Volkspartei für Freiheit und Demokratie (VVD), deutlich vorn. Die Demoskopen sprachen der VVD zuletzt rund 43 von insgesamt 150 Sitzen im Parlament zu, während sie aktuell nur 32 Sitze besetzt. Rutte konnte seit Ausbruch der Krise von einer breiten öffentlichen Unterstützung profitieren. Seine Position dürfte es dem erfahrenen Politiker einfacher machen, Koalitionspartner zu finden.
Anders als in weiten Teilen Europas, wo politische Geschehnisse Investoren schnell verunsichern können, nimmt der Markt von den Ereignissen in Den Haag keine Notiz. Das Vertrauen in den niederländischen Staat ist zu groß, um die Marktteilnehmer zu beunruhigen.
Sebastian Fellechner