Neuwahlen in Italien wären aus Marktsicht die schlechteste Option

Nach dem Aus des Drei-Parteien-Bündnisses in Rom sucht Ministerpräsident Conte nach einem Weg, die Regierung fortzusetzen und damit eine noch größere politische Krise inmitten der Pandemie zu verhindern. Da nur der kleinste Koalitionspartner, Italia Viva, seinen Rückzug aus der Regierung erklärt hat, wird der Premier Gespräche mit moderaten Oppositionsparteien führen. Hierzu müsste Conte entweder auf die Forza Italia (Fi, Mitte-rechts) oder auf mehrere Kleinst- und Regionalparteien zugehen. Ein solches Bündnis wäre voraussichtlich aber politisch instabil und nur für kurze Zeit denkbar. Gelingt es Conte nicht, neue Mehrheiten zu schmieden, läge der Ball zunächst im Feld des Staatspräsidenten Mattarella. Er würde mit den größten im Parlament vertretenden Parteien über die Möglichkeiten einer Regierungsneubildung sprechen. Hier könnte eine Regierung der „nationalen Einheit“ ins Gespräch kommen, die von einer überparteilichen Person geführt würde und bis zum Ende der Pandemie im Amt bleiben könnte.

Gelingt es dem Staatspräsidenten und den führenden Parteien nicht, eine neue Regierung zu bilden, blieben als letzter Ausweg nur Neuwahlen. Hierzu müsste Mattarella das Parlament auflösen und Neuwahlen innerhalb von 70 Tagen ansetzen. Laut Wahlumfragen liegen die rechten Parteien vorne. Aus den Wahlen könnte die Lega als stärkste Partei hervorgehen, wenngleich sie in den vergangenen Monaten an Zustimmung vor allem zugunsten der rechtsnationalen „Brüder Italiens“ (FdI) eingebüßt hat. Zusammen mit der FI wäre sogar eine absolute Mehrheit der drei Parteien möglich. In dem Fall würde Italien einen starken politischen Schwenk nach rechts vollziehen. Rom würde voraussichtlich einen harten Oppositionskurs gegenüber Brüssel und Berlin einschlagen. Neue politische Konflikte auf europäischer Ebene wären dann wahrscheinlich.

Der Markt hatte lange wenig Notiz von den politischen Querelen in Italien genommen. Inzwischen nimmt die Verunsicherung etwas zu. Die Sorge könnte jedoch noch deutlich steigen, sobald Neuwahlen und die Aussicht auf eine rechtspopulistische Regierung in Rom zunähmen.

-- Daniel Lenz


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