Herausfordernde Zeiten auch für die türkische Wirtschaft
Nach kräftigem Wachstum im dritten Quartal dürfte die türkische Wirtschaft auch im Schlussquartal 2020 ein positives Ergebnis erzielt haben. Unterm Strich ergibt sich deshalb für das abgelaufene Jahr immerhin ein Wirtschaftswachstum von 1,3 Prozent. Diese im internationalen Vergleich erstaunlich gute Bilanz beruht vor allem auf einem sichtbaren Zuwachs beim privaten Konsum sowie bei den Investitionen in Maschinen und Ausrüstungen.
Wegen einer deutlich verschärften Lage bei der Corona-Pandemie mussten zum Jahreswechsel jedoch einige Lockdown-Maßnahmen verschärft werden. Die hierdurch entstehenden Belastungen, die vor allem den Dienstleistungsbereich betreffen, drosseln den konjunkturellen Schwung im ersten Quartal. Auch das weltweit weiter verschärfte Infektionsgeschehen lastet auf dem Ausblick für den Tourismussektor in der ersten Jahreshälfte.
Weitere bremsende Effekte für die Wirtschaft sind von dem Kurswechsel bei der Geldpolitik zu erwarten. Zur Bekämpfung der erhöhten Inflation hat die Notenbank den Leitzins inzwischen auf 17 Prozent erhöht. Vor diesem Hintergrund zeigen die jüngsten Umfrageergebnisse ein eingetrübtes Stimmungsbild bei den Konsumenten und in den Industriebetrieben.
Den Beeinträchtigungen der Dienstleistungsbranche und vor allem des Tourismusbereichs steht eine recht positive Entwicklung in der Industrie gegenüber. Dies ist umso erfreulicher, da dieser Wirtschaftsbereich in der Türkei immer noch eine recht große Bedeutung hat: Knapp 30 Prozent des BIPs entfällt auf den industriellen Sektor und rund 55 Prozent der Exporte bestehen aus verarbeiteten Gütern. Bereits im August konnte die Fertigung der türkischen Industriebetriebe das Vorkrisenniveau vom Februar leicht überschreiten, im Vergleich zum Vorjahresquartal ist für das vierte Quartal mit einer Steigerung um knapp zehn Prozent zu rechnen.
In diesem Jahr rechnen wir deshalb mit einem Wirtschaftswachstum von 3,6 Prozent. Im kommenden Jahr dürfte mit der Normalisierung der Weltkonjunktur und dem internationalen Reiseverkehr das Wachstum der türkischen Wirtschaft etwas höher ausfallen.
-- Dr. Christine Schäfer
