Aktien 2021: Bewertung sieht hoch aus, ist hoch, kann noch steigen

14.000 Punkte im DAX in einer erlebnisreichen Woche: Derzeit fällt es trotz politischer Widrigkeiten in den USA tatsächlich leicht, für die Aktienmärkte positiv gestimmt zu sein. Das Ende der Corona-Pandemie scheint in Sicht, trotz Anlaufschwierigkeiten bei Impfungen in Europa. Der unberechenbare US-Präsident Trump steht vor dem Abgang, der harte Brexit wurde vermieden und die Zentralbanker treiben die ultraexpansive Geldpolitik auf die Spitze. Vor allem die häufig wundersam wirkende Geldvermehrung der Notenbanken wirkt wie eine riesige Marketingkampagne für alle Vermögensklassen.

In den letzten Wochen hat sich an den Finanzmärkten ein Optimismus, gemessen an Stimmungsumfragen und Anlegerverhalten, breitgemacht, der in dieser Form schon lange nicht mehr zu beobachten war. Eine große Mehrheit der Privatanleger und Finanzprofis ist "bullish", d.h. sie wetten auf weiter steigende Kurse. Die Kurse von Aktien, Unternehmensanleihen, Bitcoin und Gold sind seit November fast wöchentlich gestiegen.

Eine positive Stimmung an der Börse ist per se nichts Schlechtes. Und in der Tat ist der aktuelle Optimismus gerechtfertigt. Die Inflation bleibt niedrig, daher werden die Zentralbanken die Wirtschaft weiterhin mit reichlich Liquidität versorgen und die kurzfristigen Zinsen bei null halten. Die langfristigen Zinsen werden nur leicht steigen, aber nicht so stark, dass der Aufschwung entgleist. Negative Veränderungen in der Geldpolitik sind vorerst nicht in Sicht. Die Fed strebt Vollbeschäftigung an, die EZB dauerhaft höhere Inflation. Es wird wohl noch Jahre dauern, bis diese Ziele erreicht werden.

In dieser Zeit werden die Unternehmensgewinne steigen, wie schon in früheren Erholungszyklen nach Rezessionen. Bereiche der Wirtschaft dürften boomen. Das sind sehr gute Nachrichten für die Aktienmärkte, denn damit wird ein nachhaltiges Fundament für den neuen "Bullenmarkt" gelegt, der seit März 2020 im Gange ist. Die historisch hohe Bewertung des Aktienmarktes würde sich dank steigender Unternehmensgewinne relativieren, könnte sich gar aufgrund des Niedrigzinsumfelds noch ausweiten. Zyklische Aktientitel, aber auch "Value"-Titel könnten 2021 zu den Unternehmen aufschließen, die bisher von den Schließungen und der Verlagerung zu deutlich mehr Online-Aktivität profitiert haben. Dieser Trend zeichnet sich am Aktienmarkt bereits seit September ab. Seitdem hat sich der Vorsprung der Aktien deutlich verbreitert, und die Rotation in Richtung Value-Aktien (und Small Caps) ist im Gange.

Der allgemeine Optimismus in Bezug auf Aktien ist eine gängige Marktmeinung. Am Aktienmarkt hat es sich aber schon oft als erfolgreicher Ansatz erwiesen, sich als "Contrarian" zu positionieren, also gegen die Marktmeinung zu handeln. Im Januar 2020 hatten wir dies im DZ BANK Asset-Allocation-Musterportfolio praktiziert, als wir aufgrund der euphorischen Stimmung die Aktienquote auf null gesetzt haben.

In diesem Jahr würde eine konträre Positionierung jedoch bedeuten, dass sich die meisten der aktuellen wirtschaftlichen und monetären Bedingungen umkehren werden. Dies scheint eine weltfremde Annahme. Im Anlagejahr 2021 scheint es erfolgversprechender zu sein, mit dem Konsens zu investieren, anstatt sich aus Prinzip als "naiver" Contrarian zu positionieren.

Allerdings könnte der Konsens selbst das Ausmaß des Wirtschafts- und Gewinnaufschwungs unterschätzen. Dieser wurde bisher von der Sorge um die anstehenden Impfungen dominiert. Dies zeigt sich u.a. an den ungewöhnlich hohen Sparquoten der Bürger. Sollte sich dieser belastende Knoten aus Unsicherheit und Sparen lösen, könnte das Gewinnwachstum an den Märkten höher ausfallen als bisher angenommen. Aktien, die seit Jahren dem Markt hinterherhinken, könnten zumindest vorübergehend zu Top-Performern im Aufschwung werden. Die Marktgewinner des Jahres 2020 müssen dabei nicht zu Verlierern werden; der Aufschwung könnte einfach breiter gestreut sein als in den letzten Jahren. Wir sehen keinen Grund, warum der Aktienmarkt im Jahr 2021 dauerhaft unter Druck stehen könnte.

-- Christian Kahler


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