Ultimatum mit Folgen

Brüssel scheint beim Streit mit Polen und Ungarn über die EU-Finanzen einschließlich des EU-Wiederaufbaufonds (NGEU) der Geduldsfaden zu reißen. Anstatt den am 10. und 11. Dezember anstehenden Gipfel der Staats- und Regierungschefs für Verhandlungen zu nutzen, sollen Budapest und Warschau zuvor bereits ihre Blockadehaltung aufgeben. Als Druckmittel wird diskutiert, den Wiederaufbaufonds notfalls als multilaterales Konstrukt ohne Polen und Ungarn. Beide mitteleuropäische Staaten würden dann erstmal leer ausgehen. Diese wehren sich bislang vor allem dagegen, dass sowohl Zahlungen des NGEU-Fonds als auch reguläre EU-Haushaltsmittel an Prinzipien der Rechtsstaatlichkeit geknüpft werden sollen. Während bei Finanzfragen das Prinzip der Einstimmigkeit innerhalb der EU gilt, könnten die restlichen EU-Staaten auch gegen den Willen der Abweichler EU-Zahlungen an Bedingungen zur Rechtsstaatlichkeit knüpfen.

Weder die polnische noch die ungarische Regierung zeigen sich aber bislang bereit, ihre Blockadehaltung aufzugeben. Die Wahrscheinlichkeit ist damit gewachsen, dass das Ultimatum zunächst ohne Ergebnis verstreicht. Möglich ist weiterhin, dass sich beide Seiten im Nachgang doch noch annähern, weil Polen und Ungarn sowohl Nutznießer der NGEU-Gelder als auch Nettoempfänger des regulären EU-Haushaltes sind. Aber auch Brüssel dürfte kein Interesse haben, dass ab Januar inmitten der Corona-Pandemie zunächst nur ein Nothaushalt gilt. Bis zu einer Lösung ist es aber durchaus möglich, dass die EU zunächst auf einen „Plan B“ setzt und den Wiederaufbaufonds auch ohne beider Länder an den Start bringt.

Der Markt für Euro denominierte polnische und ungarische Staatsanleihen hat bislang kaum auf den sich zuspitzenden Konflikt reagiert. Lenken Polen und Ungarn diese Woche aber nicht ein, wären vor dem Hintergrund der drohenden fiskalischen Folgen bei beiden Staaten Spreadausweitungen durchaus möglich. Polen erhielt 2019 netto rund 12 Mrd. Euro aus dem EU-Haushalt (rund 2,5% des BIP), im Fall von Ungarn ist der Anteil an der Wirtschaftsleistung mit 4% sogar noch höher. Auch die im Rahmen des NGEU geplanten Zuschüsse würden sich bei Polen voraussichtlich auf über 30 Mrd. Euro und bei Ungarn auf fast 8 Mrd. Euro belaufen.


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