Türkische Zentralbank ohne Mut

Ungeachtet einer anhaltend schwachen Lira ging die jüngste Sitzung der türkischen Zentralbank ohne neue Beschlüsse zu Ende. Im zugehörigen Statement bekräftigten die Währungshüter zwar das Ziel, den „zugrundeliegenden Trend einer rückläufigen Inflationsrate" fortzusetzen. Ein negativer realer Leitzins im Bereich von 3,5% in Kombination mit einer Abwertung der Landeswährung in Höhe von fast 9% seit Anfang Juni gegenüber einem momentan nicht gerade vor Kraft strotzenden US-Dollar lassen derartige Lippenbekenntnisse jedoch alles andere als glaubwürdig erscheinen.

Mit ihrer Zurückhaltung hat die türkische Zentralbank eine weitere Chance ausgelassen, marktseitiges Vertrauen zurückzugewinnen, die Transparenz ihrer Geldpolitik zu verbessern und den offiziellen Leitzins in seiner Steuerungsfunktion für die Finanzmärkte zu rehabilitieren. So hält die Notenbank den Einwochen-Reposatz zwar offiziell seit Mai konstant bei 8,25%. Allerdings stellt sie den heimischen Finanzinstituten seit einigen Wochen vorrangig Liquidität über die mit 9,75% deutlich teureren Übernachtgeschäfte zur Verfügung. In Folge dieser „restriktiven Geldpolitik durch die Hintertür" haben sich die durchschnittlichen Refinanzierungskosten der türkischen Banken ebenso wie die Geldmarktsätze deutlich vom offiziellen Leitzins gen Norden abgesetzt.

Die Türkische Lira bleibt auch nach der Leitzinsentscheidung der zuständigen Währungshüter anfällig. Derzeit scheint die Zentralbank noch darauf zu vertrauen, dass der Preisdruck mit Abflauen der Corona-bedingten Herausforderungen wieder nachlässt. Sie versucht daher, mit (zumindest eigentlich) eher kurzfristig ausgerichteten zinspolitischen Maßnahmen der Abwertung der Währung entgegenzutreten. Diese Vorgehensweise mag zwar ebenso wie der Einsatz der dahinschmelzenden Währungsreserven einige Zeit ausreichen, um einen weiteren Absturz der Lira zu verhindern. Sollte sich der propagierte Inflationsrückgang allerdings nicht auf absehbare Zeit einstellen, steht die Zentralbank einmal mehr vor einer wegweisenden Entscheidung. Entweder können sich die Währungshüter gegen eine weitere signifikante Lira-Abwertung stemmen und das offizielle Leitzinsniveau spürbar nach oben anpassen, oder sie schrecken vor derartigen restriktiven Maßnahmen zurück, um nicht den Unmut des Staatspräsidenten auf sich zu ziehen und den eigenen Arbeitsplatz aufs Spiel zu setzen. Auf Rückendeckung vonseiten Erdogans, der aus seiner Forderung nach niedrigeren Zinsen weiterhin keinen Hehl macht, sollte der Zentralbankvorsitzende Uysal jedenfalls nicht setzen.

 




 


 

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