Türkische Lira: Altbekannte Schwächen rücken wieder in den Blick

Nachdem es in den vergangenen Wochen um die türkische Lira vergleichsweise ruhig geworden und USD-TRY stabil um 6,85 TRY gependelt war, ist es mit dieser Ruhe wieder schlagartig vorbei. So hat doch das Währungspaar erstmals seit Mitte Mai wieder die Marke von 7,00 TRY und aktuell sogar die historisch schwachen Notierungen aus dem Mai hinter sich gelassen. Diese Bewegung ist umso bemerkenswerter, als dass der US-Dollar aktuell selber einen schweren Stand hat – gerade im Vergleich zur Situation im Mai – und verdeutlicht den vorherrschenden Druck auf die Lira. Dabei sind die bestehenden heimischen Probleme keineswegs neu. Trotz der relativ stabilen Entwicklung im Juni und Juli hatten wir die Konstellation für die Lira als fragil eingestuft, bietet die Türkei doch grundsätzlich mit einer tief in die Rezession abrutschenden Volkswirtschaft, einem deutlich ansteigenden Haushalts- und Leistungsbilanzdefizit und einem expansiven geldpolitischen Kurs der türkischen Zentralbank ungeachtet der zu beobachtenden Inflationsentwicklung genügend Angriffsfläche. Hinzu kommen die schwache externe Liquiditätsposition in Kombination mit niedrigen Devisenreserven sowie eine unorthodoxe politische Führung.

Präsident Erdogan eröffnet dabei immer neue (außenpolitische) Konfliktherde, die von Interventionen im Irak und Syrien über den Erdgasstreit im Mittelmeer bis zur kürzlich vollzogenen Umwandlung der Hagia Sophia in eine Moschee reichen. Und auch innerhalb der eigenen Grenzen hat die politische Einflussnahme zugenommen. Jegliche Kritik an der Politik des Präsidenten und seiner Regierung ist nicht gewünscht, Demokratie sowie Menschen- und Freiheitsrechte haben seit dem Putschversuch 2016 spürbar gelitten. Die aktuelle Entwicklung zeigt, dass die Marktteilnehmer immer weniger bereit zu sein scheinen, dies zu tolerieren.
Zudem rückt – ebenso wie im Mai – wieder die schwache externe Liquiditätsposition der Türkei in den Mittelpunkt und damit auch die Frage nach der Angemessenheit der türkischen Währungsreserven. Zur Orientierung lohnt hier ein Blick auf die Relation der kurzfristigen externen Verbindlichkeiten zu den Devisenreserven. Dabei erscheint ein Niveau von mindestens 1 (die kurzfristigen Verbindlichkeiten können vollständig durch die Devisenreserven gedeckt werden) ein plausibler Wert, den es anzustreben gilt. Einziges Problem: Die Türkei ist davon weit entfernt und die Fremdwährungsreserven reichen nicht aus, um die als kurzfristig deklarierten Auslandsschulden zu decken. Vielmehr sind die Reserven der Türkei im bisherigen Jahresverlauf signifikant gesunken. Eine mit Katar vereinbarte Ausweitung einer bestehenden Währungsswap-Linie um 10 Mrd. USD sorgte nur für einen kurzzeitigen Anstieg. Vor diesem Hintergrund ist die Türkei auf ausländische Kapitalzuflüsse angewiesen. Da ist es natürlich nicht hilfreich, dass die Corona-Krise auch den Tourismus hart getroffen hat und insofern auch von dieser Seite wenig Unterstützung zu erwarten ist. Marktseitig werden – wenig überraschend – verstärkt Forderungen nach Leitzinserhöhungen zur Stützung der Lira laut, was jedoch weder aus politischer noch aus wirtschaftlicher Sicht gewünscht sein dürfte.

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